chatscout.ch und weitere: Scout24 muss Marken­verwäs­se­rung hinnehmen

Die Gesuchstellerin, die Scout24-Gruppe, betreibt in ganz Europa diverse bekannte Webseiten zur Vermittlung von u.a. Autos, Immobilien/Wohnungen, Stellen oder Bekanntschaften. Diese Internetauftritte sind mit dem „scout24“-Zusatz präsent, der auch als Schweizer Marken (z.B. Friend Scout, im 2008 hinterlegt) sowie als europäische Marken mit Schutzausdehnung auf die Schweiz geschützt ist. Konkret treten die Scout24 Holding GmbH, München, und die Scout24 International Management AG, Baar, auf.

Die Gesuchsgegnerin Nexmedia GmbH in Sursee wurde im Jahr 2002 als Webdesign-Firma gegründet („Nexmedia Websolutions“). Die Interessen des Gründers scheinen sich in der Folge rasch in Richtung seiner Leidenschaft Fotografie und Models mit Spezialisierung auf Erotik- und Akt­fotografie verschoben zu haben, so dass sein Büro schon bald einem 130 m2-Fotostudio und die Nexmedia-Webseite einer Weiterleitung zu seiner Plattform für Models und Auftraggeber, Modelsonline.ch, weichen musste.

Die Domainnamen chatscout.ch, fickscout.ch, hurenscout.ch, ladyscout.ch, pornscout.ch und seitensprungscout.ch sowie die internationalen Domainnamen hurenscout.com und seitensprungscout.com wurden zwischen 2010 und 2012 registriert.

Nach einem erfolglosen Schlichtungsversuch durch den Experten François Dessemontet wurde das Verfahren neu dem Experten Gérald Page zugewiesen.

Erwägungen und Entscheid

Der Experte folgt weitgehend den Ausführungen des Anwalts der Gesuchsgegnerin, indem er festhält, dass die Domainnamen nur mit einem Teil der Marke der Gesuchstellerin identisch sind, und dass dieser Begriff „Scout“ ein Sachbegriff ist. Tatsächlich existieren – mal abgesehen von den Pfadfindern, die ebenfalls als „Scouts“ bekannt sind – zahlreiche Unternehmen und Marken, welche diesen Begriff beinhalten. „Scouts“ sind Talentsucher in Mode, Musik oder Sport. Deshalb ist eine Zuordnung dieses Sachbegriffs einzig zu Scout24 und eine entsprechende Verwechslungsgefahr zu verneinen. Erst der Zusatz „24“ ergibt bei Scout24 einen hohen Bekanntheitsgrad und eine hohe Kennzeichnungskraft. Ohne diesen Zusatz besteht keine Verwechslungsgefahr und keine Rufausbeutung, weshalb der Experte das Gesuch ablehnt.

Bemerkungen

Zwar hatte Scout24 in allen der bisherigen sieben WIPO-Verfahren zu Schweizer Domainnamen mit Expertenentscheid obsiegt. Dabei handelte es sich jedoch ausschliesslich um Domainnamen, welche den Zusatz „24“ beinhalteten (bzw. bei Verfahren mit mehreren Domainnamen: zumindest einer davon). Mit dem vorliegenden Entscheid wird die siegessichere Scout24-Gruppe vorerst gebremst.

Scout24 muss die Verwässerung seiner Marke hinnehmen, wie auch schon McDonald’s, als in den 2000er-Jahren plötzlich zahlreiche Unternehmen mit „Mc“ oder „Mac“ im Namen gegründet wurden, z.B. McOptik oder MacBaby. Dies ist zwar stossend, aber rechtlich nicht zu bemängeln. Angesichts der unzähligen weiteren Domainnamen, welche „Scout“ und „24“ enthalten, bleibt Scout24 auch kaum etwas Anderes übrig, als sich damit abzufinden, und sich auf weitere Verfahren zu konzentrieren.

WIPO-Verfahren Nrn. DCH2012-0016 und D2012-1359, beide Entscheide vom 29. Ok­tober 2012

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raiffeien.ch: Bank obsiegt gegen Typosquatter

Die Gesuchstellerin Raiffeisen Schweiz Genossenschaft ist die drittgrösste Bank der Schweiz. Neben dem Namensrecht verfügt sie seit 1993 auch über Schweizer Marken und hatte schon früh, nämlich am 31.12.1995 den Domainnamen raiffeisen.ch registriert, den sie seither für ihren Internetauftritt nutzt.

Der Gesuchsgegner Peter Bachta aus Polen ist einer der „üblichen Verdächtigen“: Er hat unzählige Domainnamen aus aller Welt registriert und war in der Schweiz bereits früher als Gesuchsgegner in ein WIPO-Verfahren involviert (deezer.ch). Wie auch damals schon hat er nicht am Schlichtungsversuch teilgenommen und keine Antwort eingereicht.

Der Domainname raiffeien.ch wurde irgendwann innerhalb der letzten 10 Jahre registriert. Der Experte Tobias Zuberbühler hat es nicht für nötig gehalten, wie sonst üblich bei SWITCH das Registrierungsdatum zu erfragen. Der Domainname ist bei Sedo geparkt.

Obwohl der Registrierungsvertrag in französischer Sprache geschlossen wurde, beschliesst der Experte aufgrund der deutschsprachigen Parking-Webseite und der fehlenden Anfechtung durch den Gesuchsgegner, das Verfahren in deutscher Sprache durchzuführen.

Erwägungen und Entscheid

Die Begründung des Gesuchs liest sich wie ein Lehrbuch für Domainnamenrecht. Klar und prägnant haben die Anwälte der Kanzlei Bratschi Wiederkehr & Buob das Bestehen von schweizerischen Kennzeichenrechten und ihre Verletzung durch den ähnlichen Domainnamen formuliert. Bei diesem sogenannten Typosquatting „nutzt der Nichtberechtigte die Bekanntheit eines Domainnamens aus und lässt missbräuchlich einen ähnlich geschriebenen Domainnamen für sich registrieren. Tippt ein Internetbenutzer den ihm bekannten Domainnamen in einem Webbrowser versehentlich falsch ein, wird er auf die unerwünschte Seite des Typosquatters geführt“. Das lässt sich nicht besser erklären.

Der Experte bestätigt die Verwechslungsgefahr durch das ähnliche Schriftbild und den phonetischen Klang, womit neben marken- auch lauterkeitsrechtliche Ansprüche der Gesuchstellerin verletzt werden. Er beschliesst die Übertragung des Domainnamens.

Bemerkungen

Meines Erachtens hat der Experte bei der Frage der Verfahrenssprache allzu vorschnell entschieden, als er auf die Sprache der Parking-Webseite abstellte. Der Domainnamen-Parking-Anbieter Sedo ermittelt nämlich per Geo-Tagging automatisch, woher ein Besucher kommt, und blendet den Webseiten-Inhalt in der jeweiligen Landessprache ein. Somit kann sich die Webseite dem in Zürich basierten Experten gar nicht anders präsentieren als in deutscher Sprache, während sie einem Franzosen auf Französisch und einem Engländer in Englisch erschienen wäre.

Die Gesuchstellerin bzw. ihre Anwälte schreiben: „Die Aktivitäten des Gesuchsgegners haben auch direkt nachteilige Konsequenzen für die Gesuchstellerin. Die missbräuchliche Anlehnung des Webauftritts an jenen der Gesuchstellerin sowie die Verlinkung zu Konkurrenzunternehmen verärgert die Kunden der Gesuchstellerin und schädigt deren Reputation. Entscheiden sich Kunden, mit den auf der Homepage des Gesuchsgegners aufgeschalteten Konkurrenzunternehmen Geschäfte abzuschliessen, entgeht der Gesuchstellerin das entsprechende Geschäft, und es droht ihr dadurch Schaden in der Form entgangenen Gewinns.“ Damit schiessen sie natürlich weit übers Ziel hinaus. Die Parking-Webseite unterscheidet sich optisch stark von der Webseite der Gesuchstellerin. Und auch sonst wird mangels Inhalt (ausser den Werbe-Links zu externen Webseiten) kein Besucher annehmen, er sei hier bei seiner Bank gelandet. Demzufolge wird sich auch niemand dazu entscheiden, über eine der verlinkten Webseiten Geldgeschäfte abzuschliessen.

Trotzdem ist der Übertragung des Domainnamens natürlich beizupflichten. Gerade Typosquatter-Domainnamen lassen sich aufgrund ihrer Vielzahl kaum vorhersehen und selbst registrieren. In der raschen und einfachen Übertragung des Domainnamens in solchen Fällen liegt die Stärke des WIPO-Verfahrens.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2012-0024, Entscheid vom 25. Oktober 2012

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encore.ch: Lächerliches Angebot von Tamedia

Die Gesuchstellerin ist die Tamedia Publications romandes SA in Lausanne, vormals als das Medienunternehmen Edipresse bekannt, heute eine Tochtergesellschaft der Tamedia AG. Sie hat am 19. Mai 2011 die Bildmarke „encore!“ beim Schweizerischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) hinterlegt. Unter dieser Bezeichnung hatte sie gleichzeitig ein neues Lifestyle-Magazin über Mode, Reisen, Design und Gastronomie lanciert, das als Beilage zur Matin Dimanche sowie der SonntagsZeitung erscheint.

Der Gesuchsgegner, Carl Kyril Gossweiler aus Buchillon (VD) bzw. Lausanne, ist ein freiberuflicher Marketingexperte mit langjähriger Erfahrung. Als Inhaber und Geschäftsführer der Hold’In SA, bzw. der Créaktion Concepts Sàrl und der LAC-Live Art Club Sàrl erarbeitet er für Kunden kreative Konzepte und Werbemassnahmen und entwirft neue Produkte. Daneben hält er zwei Schweizer Marken im Bereich Mahlzeitenlieferdienst. Er lässt sich im Verfahren durch die Anwaltskanzlei Kasser Schlosser vertreten.

Der Domainname encore.ch wurde im Jahr 2005 durch den Gesuchsgegner registriert. Das Wort bedeutet soviel wie „noch (immer)“ oder „Zugabe“ auf Französisch und Englisch (im Sinne einer Zugabe, die am Schluss von Aufführungen verlangt wird). Unter dieser Internetadresse befindet sich eine künstlerisch-philosophisch anmutende weisse Seite mit dem Text „encore quoi ?“ bzw. „encore was ?“.

Am 30. März 2012 kontaktierte die Gesuchstellerin den Gesuchsgegner und bat um Übertragung des Domainnamens im Tausch gegen ein einjähriges Abonnement zweier Tamedia-Publikationen. Auch eine E-Mail-Adresse hätte der Gesuchsgegner behalten dürfen. Als er ablehnte, gelangte die Gesuchstellerin an die WIPO. Nach einem erfolglosen Schlichtungsversuch durch den Experten François Dessemontet wurde das Verfahren suspendiert und Daniel Kraus als neuer Experte eingesetzt.

Erwägungen und Entscheid

Die Gesuchstellerin ist der Ansicht, dass die Registrierung und Nutzung des Domainnamens eine Markenverletzung darstellt, auch aufgrund der dadurch geschaffenen Verwechslungsgefahr. Es bestehe auch kein Weiterbenutzungsrecht des vorbestehenden Domainnamens, da die Webseite inaktiv sei. Ausserdem verhalte sich der Gesuchsgegner unlauter und er schade durch dieses Cybersquatting dem Ansehen des Magazins und seines Herausgebers. Für Tamedia sei diese Blockierung des Domainnamens ein grosses Problem, da all ihre Publikationen eine eigene Webseite haben.

Der Experte bestätigt hingegen sämtliche Vorbringen des Gesuchgegners. Tatsächlich handle es sich um eine schwache Marke, die vom IGE nicht als Text-, sondern nur als Bildmarke zugelassen wurde. Ihr Schutzbereich sei derart begrenzt, dass Tamedia höchstens eine Verwendung in derselben Schriftart inklusive Ausrufezeichen für ein ähnliches Produkt verbieten könne. Und auch sonst gelte selbstverständlich das Weiterbenutzungsrecht des lange vor der Marke bestehenden Domainnamens. Auch den Cybersquatting-Vorwurf und ein unlauteres Verhalten verneint der Experte, schliesslich schädige das Bestehen des Domainnamens die Gesuchstellerin in keiner Weise. Er lehnt das Gesuch ab.

Bemerkungen

Tamedia macht sich hier gleich doppelt lächerlich:

Die angebotenen einjährigen Abonnemente zweier Tamedia-Publikationen hätte die Gesuchstellerin praktisch nichts gekostet und ist trotz eines Gegenwerts von rund 800 Franken kein ansprechendes Angebot. Tamedia wollte den Gesuchsgegner mit Almosen abspeisen. Es ist mehr als verständlich, dass er dieses Angebot abgelehnt hat. Angesichts des Reingewinns von 178.8 Millionen Franken im Jahr 2011 hätte sich Tamedia durchaus ein ernsthaftes Angebot leisten können; ein fünfstelliger Frankenbetrag hätte es schon sein dürfen, um den Gesuchsgegner zum Verkauf zu bewegen. Als Alternative bleibt immer ein Ausweichen auf eine andere, weniger attraktive Internetadresse, was Tamedia mit der Registration von encore-mag.ch, encore-magazin.ch, encore-magazine.ch, encore-publicationsromandes.ch und encore-tamedia.ch sowie die Pendants ohne Bindestrich (wobei unverständlicherweise nur www.encore-mag.ch zur Zeitschrift führt).

Daneben ist vollkommen unverständlich, wie Tamedia auf die Idee gekommen ist, sie hätten dank ihrer eben erst hinterlegten Marke eine bessere Berechtigung am Domainnamen als dessen langjähriger Halter. Dies zeugt einzig von vollkommen fehlender Kenntnis des Domainnamenrechts. Dass sie diesen Domainnamen für sich monopolisieren möchten, erscheint auch angesichts des guten Dutzend älterer Schweizer „encore“-Marken, z.B. von Kraft Foods, Ford oder Adobe, komisch.

Sehr interessant ist schliesslich die Aussage des Experten, die schwache Marke von Tamedia könne sich allerhöchstens bei gleicher Schreibweise inklusive Ausrufezeichen gegen ein anderes Zeichen durchsetzen. Da Internetadressen keine Ausrufezeichen enthalten können, verweigert er der Marke damit faktisch einen Schutz im Zusammenhang mit Domainnamen.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2012-0017, Entscheid vom 3. Oktober 2012

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vom-kloster-interlaken.ch: Streit unter Hundezüchtern

Der Gesuchsteller Daniel Gusset ist ein in Interlaken wohnhafter Hundezüchter. Am 1. April 2011 reichte er beim Internationalen Hundeverband, der Fédération Cynologique Internationale (FCI) einen Antrag zum internationalen Schutz des Zuchtnamens „vom Kloster Interlaken“ für seine Beauceron-Zucht ein. Dieses wurde am 6. Juni 2011 bewilligt. Daniel Gusset ist Mitglied der Schweizerischen Kynologischen Gesellschaft (SKG) sowie des Schweizerischen Klubs der Beauceron-Freunde (SKBF).

Der Gesuchsgegner Erwin Meinen aus Bern ist der Zentral-Präsident des SKBF und Präsident der Regionalgruppe Deutschschweiz. Er betreibt die Beauceron-Zucht „vom Holligenwald“ (siehe Bild).

Die Domainnamen vom-kloster-interlaken.ch und vomklosterinterlaken.ch wurden am 19. September 2011 vom Gesuchsgegner registriert. Sie sind inaktiv registriert, d.h. unter diesen Internetadressen ist keine Webseite zu finden.

Der Gesuchsteller hatte am 17. April 2012 per E-Mail Kontakt mit dem Gesuchsgegner aufgenommen, mit ihm jedoch keine Einigung erzielen können. Am 12. Juli 2012 reichte er sein Gesuch ein, dessen formale Mängel er in der Folge korrigieren musste. Beide Parteien verzichteten auf eine Schlichtungsverhandlung, weshalb direkt ein Entscheid gefällt wurde.

Erwägungen und Entscheid

Der Gesuchsteller stützt sich auf seine Registrierung des Zuchtnamens beim Hundeverband. Diese entfaltet jedoch keine von der Rechtsordnung anerkannte Schutzwirkung und ist nicht mit einer Markenanmeldung z.B. beim Schweizerischen Institut für Geistiges Eigentum gleichzusetzen. Da der Gesuchsteller nicht ausdrücklich weitere rechtliche Argumente vorbringt, lehnt der Experte Michael A.R. Bernasconi das Gesuch ab.

Bemerkungen

Der Gesuchsteller hat es sich selbst zuzuschreiben, dass er die Domainnamen nicht rechtzeitig selbst registriert hat. Einen zweiten Fehler hat er begangen, indem er sich nicht rechtlich beraten liess. Trotzdem ist der Entscheid stossend.

1. Auch wenn kein Kennzeichenrecht besteht, verhält sich der Gesuchsgegner m.E. unlauter und verstösst gegen den Grundsatzartikel 2 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Dieses eigentlich gewichtige Argument zu seinen Gunsten hatte der Gesuchsteller jedoch nicht geltend gemacht, weshalb der Experte dies auch nicht prüfen durfte. Oder doch? Gelangt eine Person sichtlich ohne rechtliche Kenntnisse an ein staatliches Gericht (eine sogenannte Laienbeschwerde), dürfen nicht zu hohe Anforderungen an seine Eingabe gestellt werden. Hätte seine Aussage, der Gesuchsgegner habe die Domainnamen „unrechtmässig und bösartig (aus Konkurrenzgründen)“ registriert, nicht als genau dieser Vorwurf verstanden werden können? Unlauter und widerrechtlich ist gemäss Gesetz „jedes täuschende oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossende Verhalten oder Geschäftsgebaren, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst“. Die Blockierung von Internetadressen des andern Züchters als Mitbewerber fällt hier drunter.

2. Der Experte verweist in seinen Ausführungen darauf, dass sich der Gesuchsteller weder auf Namens- noch auf Firmenschutz für die Bezeichnung „vom Kloster Interlaken“ beruft. Er führt aus, dass der Firmenschutz einen Handelsregistereintrag voraussetzt und der Gesuchsteller bei einer Berufung auf Namensschutz im Sinne von Art. 29 ZGB hätte darlegen müssen, dass und wieweit die Bezeichnung „vom Kloster Interlaken“ als solche verstanden und ihm zugeordnet werde. Dies muss derjenige beweisen, der eine solche Behauptung vorbringt. Auch hier fragt sich, ob der Experte die Laienbeschwerde nicht allzu streng betrachtet hat. Denn der Gesuchsteller hat klar auf die Registrierung des Namens „vom Kloster Interlaken“ beim FCI hingewiesen. Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob er ebenfalls eine Urkunde über diesen sog. FCI-Zwingernamen als Beweismittel eingereicht hat. Denn diese würde vermutlich ausreichen, um eine schutzwürdige Bezeichnung im Sinne des Namensrechts zu belegen – zumal sich der Streit ja unter Mitgliedern des SKBF bzw. SKG als Landessektion des FCI austrägt, welche mit ihrer Mitgliedschaft deren Regeln anerkennen. Zwar lassen sich auf der Webseite des FCI die registrierten Zwingernamen abfragen, jedoch nicht deren Inhaber. Eine simple Nachfrage des Experten nach dieser Urkunde hätte einen gegenteiligen Entscheid zur Folge haben können.

3. Zwar verleiht der bei der FCI-Zwingername trotz der weltweiten Tätigkeit des FCI und seiner Landesverbände vermutlich keine von der Rechtsordnung anerkannte Wirkung, da es sich dabei nicht um ein öffentlich-rechtliches Register handelt, das auf einer gesetzlichen Grundlage basiert. Damit entfaltet es tatsächlich keinen kennzeichenrechtlichen Schutz nach Paragraph 1 des Verfahrensreglements (Definition eines schutzwürdigen Kennzeichens). In diesem Zusammenhang hätte sich der Gesuchsteller besser an eine FCI-interne Beschwerdestelle gewandt hätte, welche diesen Fall sicher anders beurteilt hätten als der WIPO-Experte. Ob sich deren Entscheid auch hätte durchsetzen lassen oder welche Sanktion für die Anmassung eines Zwingernamens vorgesehen ist, lässt sich ohne tiefergehende Kenntnisse des Verbands nicht beurteilen.

4. Der Gesuchsgegner behauptet ausdrücklich, er habe keine Kenntnis von der Eintragung der genannten Bezeichnung im Zuchtverzeichnis gehabt und er habe die Domainnamen nicht böswillig registriert. Als Zentral-Präsident des Schweizerischen Klubs der Beauceron-Freunde SKBF hatte er jedoch genaue Kenntnisse von anderen Beauceron-Züchtern im SKBF sowie deren Zuchtnamen. Damit sind seine böswilligen Motive (aus Konkurrenzgründen, wie vom Gesuchsteller vermerkt) beim Registrieren genau dieser Domainnamen offensichtlich. Ob er auch andere Beauceron-Züchter derartig behindert oder er sich einzig den Gesuchsteller für seine Privatfehde ausgesucht hat, lässt sich nicht feststellen. Auf jeden Fall geziemt sich ein solch skandalöses Verhalten gegenüber eines Mitglieds keinesfalls für den Zentral-Präsidenten des Klubs. Mit seinem Verhalten schadet er dem Ansehen des Vereins, womit er gegen die Statuten des SKBF verstösst. Damit riskiert er einen Ausschluss aus dem SKBF, was nicht nur der Verlust seiner Stellung als Zentral-Präsident bedeuten würde, sondern auch das Verbot einer Teilnahme an anerkannten Ausstellungen und an Prüfungen oder sonstigen Veranstaltungen der SKG oder ihrer Sektionen, das Verbot von Einträgen in das Schweizerische Hundestammbuch SHSB und die Löschung seines Zuchtnamens. Ist es ihm das wirklich wert? Ob der Gesuchsteller für die nächste Generalversammlung einen entsprechenden Antrag stellen wird, wird wohl nicht zu erfahren sein.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2012-0020, Entscheid vom 26. September 2012

Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/vom-kloster-interlaken.ch

cashconverters.ch: Geldforderung des Konkurrenten zerstört seine Chancen

Die Gesuchstellerin Cash Converters Pty Ltd. ist ein international tätiges Unternehmen mit 1600 Filialen in 16 Ländern (gemäss ihrer Webseite lediglich 600 Filialen, dafür in 21 Ländern), das 1984 in Australien als Pfandleihhaus gegründet wurde. In der Schweiz ist Cash Converters in Lausanne, Genf und Carouge zu finden. Hier kauft und verkauft Cash Converters Gebrauchtwaren aller Art von und an Privatpersonen, jetzt zum Beispiel sicher viele iPhones 4 und 4S, deren Besitzer sich ein iPhone 5 gekauft haben. Das Unternehmen verfügt über je eine Wort- und Bildmarke, die seit 1997 bzw. 1996 im Schweizer Markenregister eingetragen sind, sowie über mehrere Domainnamen.

Der Gesuchsgegner Miguel Adolfo Botana Rojo ist eine Privatperson spanischer Herkunft mit Wohnsitz in Genf. Er ist mit dem selben Geschäftskonzept tätig, und zwar sowohl mit seiner im November 2011 ins Handelsregister eingetragenen Einzelfirma Pas-Cher.ch Botana Rojo (Screenshot), als auch als mittlerweile einziger Gesellschafter der im Januar 2012 gegründeten Cash Now Sàrl.

Der Domainname cashconverters.ch wurde erst am 15. Februar 2012 vom Gesuchsgegner registriert und ist seither inaktiv, d.h. ohne eingetragene Nameserver, womit unter dieser Internetadresse auch keine Webseite zu erreichen ist.

Der Gesuchsgegner hat auf die Kontaktaufnahme durch den Experten nicht reagiert, nicht an der Schlichtungsverhandlung teilgenommen und keine Gesuchserwiderung eingereicht. Er habe im Vorfeld der Gesuchstellerin die Ãœbertragung des Domainnamens gegen Bezahlung von 10’000 oder 15’000 Franken (im WIPO-Entscheid kommen beide Angaben vor) mündlich angeboten.

Erwägungen und Entscheid

Die Gesuchstellerin machte neben Marken- und Namensrechten auch die Verletzung von Wettbewerbsrecht geltend. Der Experte Philippe Gilliéron ist deren Argumenten weitgehend gefolgt und hält fest, dass der Gesuchsgegner keine eigenen Rechte am Domainnamen hat. Der Experte zieht trotz bzw. wegen des inaktiv registrierten Domainnamens alle Begleitumstände in Betracht, insbesondere auch die Geldforderung für die Übertragung und die gleichartige Geschäftstätigkeit des Gesuchsgegners, was sicher auch zu einer Verwechslungsgefahr führen kann. Er beschliesst die Übertragung des Domainnamens an die Gesuchstellerin.

Bemerkungen

Die Gesuchstellerin ist in verschiedenen Ländern aktiv, verweist auf ein gutes Dutzend Domainnamen unter verschiedenen Top Level Domains als Beweis für ihre bessere Berechtigung und besitzt seit über 15 Jahren zwei Schweizer Marken. Da verwundert es doch sehr, dass das Unternehmen keine Schweizer Domainnamen registriert hatte, so dass dieser im Februar 2012 noch verfügbar war. Meiner Meinung nach ist es nicht Aufgabe des Markenrechts, bewusst nicht registrierte Domainnamen freizuhalten, um sich die jährlichen Domainnamengebühren sparen zu können. Nach mir hätte die Gesuchstellerin ihre bessere Berechtigung am Domainnamen damit verloren.

Durch die Geldforderung als Zeichen von Bösgläubigkeit hat der Gesuchsgegner seine Chancen auf ein Obsiegen im WIPO-Verfahren jedoch zunichte gemacht. Ansonsten wäre im Hinblick auf die inaktive Registrierung auch durchaus ein anderslautender Entscheid möglich gewesen.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2012-0021, Entscheid vom 16. September 2012

Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/cashconverters.ch

cinema4d.ch: Nachvertragliche Pflicht zur Ãœbertragung an die Herstellerfirma

Die Gesuchstellerin Maxon Computer GmbH wurde 1986 in der Nähe von Frankfurt/Deutschland gegründet und hat sich zu einem führenden Software-Hersteller im Bereich 3D-Grafik entwickelt. Eines ihrer Hauptprodukte ist die Software-Familie CINEMA 4D zum Erstellen von 3D-Modellen, Oberflächenstrukturen (z.B. Stoff, Fell, Federn oder Gras), Computergrafiken und Animationen, eingesetzt u.a. für TV-Werbungen und Filme. Maxon verfügt über eine internationale Marke CINEMA 4D, hinterlegt im 24. September 1996, mit Schutzwirkung auch für die Schweiz. Ihre Webseite ist unter www.maxon.net zu finden.

Der Gesuchsgegner Messerli Informatique in Corcelles im Berner Jura ist gemäss eigenen Angaben der offizielle Schweizer Verkäufer der CINEMA 4D-Software. Der Gründer Peter Messerli ist ein Phänomen. Nicht nur vertreibt er Hard- und Software mit Gesellschaften in der Schweiz, Kamerun, Kongo und Rumänien, sondern hat unter der Bezeichnung APM R&D Treppen, Massivholzhäuser, einen lenkbaren Holzschlitten und ein tragbares Sägewerk entwickelt. Dafür erhielt er mehrere Erfinderpreise. Da kein entsprechender Handelsregistereintrag zu existieren scheint, bleibt er mit seinen Unternehmungen aber unter einem gesamthaften Jahresumsatz von 100’000 Franken. Der Gesuchsgegner besitzt neben den Adressen www.m3d.ch, www.apm-rd.ch und dem streitgegenständlichen Domainnamen auch vellum.ch; Vellum ist bzw. war ebenfalls der Name einer 3D-Software.

Der Domainname cinema4d.ch wurde am 6. November 2000 registriert. Unter dieser Adresse wirbt der Gesuchsgegner für die CINEMA 4D-Software und bietet sie zum Kauf an.

Gut acht Jahre nach der Registrierung, am 12. Februar 2009, schlossen die Gesuchstellerin und der Gesuchsgegner einen Vertrag zum Vertrieb der Software CINEMA 4D in der Schweiz ab. Darin räumt die Gesuchstellerin dem Gesuchsgegner das Recht ein, einen Domainnamen zu registrieren, welcher den Produktnamen CINEMA 4D beinhaltet. Gleichzeitig wird vereinbart, dass dieser Domainname nach Beendigung des Vertrags an die Gesuchstellerin übertragen wird.

Mit E-Mail vom 27. Juni 2011 kündigte die Gesuchstellerin den Vertrag (und im 2012 auch noch per Brief), da der Gesuchsgegner die vereinbarten Umsätze nicht erreichte, und verlangte die Ãœbertragung des Domainnamens. Dies verweigerte der Gesuchsgegner jedoch und verlangte für die Ãœbertragung einen „Verhandlungspreis“ von 50’000 Euro.

Der Gesuchsgegner nahm am WIPO-Verfahren nicht teil und hat auch keine Gesuchserwiderung eingereicht.

Erwägungen und Entscheid

Die Gesuchstellerin beruft sich auf den Vertriebsvertrag und die darin enthaltene Pflicht, nach dessen Beendigung den Domainnamen zu übertragen. Mit der Kündigung ist die Berechtigung des Gesuchsgegners am Domainnamen erloschen und die weitere Benutzung verletzt das Markenrecht der Gesuchstellerin, das vor der Registrierung des Domainnamens entstand.

Der Experte Andrea Mondini folgt diesen Argumenten der Gesuchstellerin und ordnet die Ãœbertragung des Domainnamens an.

Bemerkungen

Der Experte hat den Domainnamen zu Recht übertragen. Dass der Gesuchsgegner den Domainnamen trotz seiner vertraglichen Pflicht nicht auf die Gesuchstellerin übertragen wollte, ist unverständlich. Diese hatte vermutlich bereits geahnt, dass der Gesuchsgegner Probleme machen könnte, da dieser den Domainnamen schon lange vor den Vertragsbeziehungen eigenmächtig registriert hatte, und hatte daher recht schnell das Schiedsverfahren eingeleitet. Es ist davon auszugehen, dass die Gesuchstellerin den Gesuchsgegner jetzt auf dem Zivilprozessweg um Schadenersatz für die Kosten dieses Verfahrens belangt.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2012-0015, Entscheid vom 21. August 2012

Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/cinema4d.ch

armaniexchange.ch: Berühmte Marke macht kurzen Prozess

Die Gesuchstellerin, die Giorgio Armani S.p.A., ist die schweizerische Zweig­­nie­der­las­sung des ita­lie­nischen Mode­kon­zerns rund um den gleich­na­migen Mode­schöp­fer. Sie ist seit 2009 im Han­dels­re­gis­ter so­wie als Hal­te­rin von 174 Schwei­zer Mar­ken ein­ge­tra­gen. Zu die­sen Mar­ken ge­hört auch „Ar­ma­ni Ex­change“, hin­ter­legt seit No­vem­ber 1996. Un­ter die­ser Marke wer­den Her­ren- und Da­men­be­klei­dung für ein ju­gend­li­ches Pu­bli­kum im un­te­ren Mit­tel­preis­seg­ment an­ge­bo­ten.

Gesuchsgegner ist die chinesische Firma Domain Solutions Corp., Jian Du A. Dieser antwortet zwar auf die Kontaktaufnahme und meldet eine Person namens „Bo Hang“ als Halter des Domainnamens, der ebenfalls kontaktiert wird. Eine weitere Teilnahme am Verfahren findet aber weder vom einen noch vom andern statt. Jian Du A figuriert als Inhaber von rund 440 Domainnamen.

Der Domainname armaniexchange.ch wurde am 30. Dezember 2011 registriert. Er führt auf eine Parking-Webseite von Sedo mit wechselnden Werbelinks, darunter auch solche für Mode- und Kleiderfirmen.

Der Experte François Dessemontet führt nach Ausführungen zur Parteistellung des genannten Bo Hang das Verfahren gegen den als Halter eingetragenen Gesuchsgegner durch.

Erwägungen und Entscheid

Der Experte bejaht die von der Gesuchstellerin geltend gemachten Marken- und Namensrechte und gesteht dem Konzern bzw. seiner Markenfamilie eine Stellung als berühmte Marke zu, womit sich ihr Schutzbereich wesentlich vergrössert und sich auch auf nicht beanspruchte Waren- und Dienstleistungsklassen erstreckt. Die Registrierung des Domainnamens durch den Gesuchsgegner stellt eine Markenanmassung dar und führt zu einer Verwechslungsgefahr sowie einer nicht tolerierbaren Verwässerung der Marke. Daneben sieht der Experte auch Wettbewerbs- und Firmenrecht verletzt. Er ordnet die Übertragung des Domainnamens an die Gesuchstellerin an.

Bemerkungen

Dem Entscheid ist vollkommen beizupflichten.

Wie schon bei vielen anderen Verfahren führte die zu Unrecht registrierte Internetadresse zu einer Parking-Webseite eines Domainnamen-Marktplatzes. Es wäre schön, diesen eine Pflicht zur Ablehnung von Domainnamen auferlegen zu können, wenn die Namen klar die Immaterialgüterrechte Dritter (mit einem gewissen Bekanntheitsgrad) verletzen. Damit wäre die Registrierung für die Domaingrabber sofort weniger interessant. Angesichts der jeweils vom Gesuchsteller zu tragenden Kosten für das WIPO-Schiedsgerichtsverfahren (der Schlichtungsversuch kostet 600 Franken, der Expertenentscheid immerhin 2’000 Franken) wäre eine dadurch erreichte Einschränkung der Verfahrenszahl auch im Sinne der betroffenen Unternehmen wünschenswert.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2012-0014, Entscheid vom 6. August 2012

Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/armaniexchange.ch

spital-uster.ch: Nachlässiges Spital vor Domaingrabber geschützt

Der Gesuchsteller ist der „Zweckverband Spital Uster“, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die von verschiedenen Gemeinden gegründet wurde. Der Zweckverband betreibt seit 1984 das Spital Uster und tritt auch unter diesem Namen nach aussen auf. Seit kurzem verfügt das Spital auch über eine Schweizer Marke. Die Webseite des Spitals ist seit Juni 1998 unter der Adresse www.spitaluster.ch erreichbar:

Der Gesuchsgegner ist eine Privatperson aus Czestochowa in Polen. Der eingetragene Name Jan Kowalski ist das polnische Pendant zum fiktiven Platzhalternamen Max Mustermann. Ob es sich dabei um eine tatsächlich existierende Person handelt, ist unklar. Denn um es vorwegzunehmen: Jan Kowalski wird sich – wie schon in früheren Verfahren gegen ihn – nicht melden.

Der Domainname spital-uster.ch wurde am 3. Juni 2009 registriert. Er führt zu einer Parking-Webseite mit Werbelinks.

Nach Wirrungen um die Verfahrenssprache wird das Verfahren auf Deutsch durchgeführt.

Erwägungen und Entscheid

Der Experte Jacques de Werra bejaht Kennzeichenrechte aus Namensrecht und eine Verletzung desselben. Er sieht weiter eine Verwechslungsgefahr, als Internetbenutzer bei der Verwendung eines Stadtnamens (Uster) in der Internetadresse eine Tätigkeit an diesem Ort erwarten, ähnlich dem Herkunftsprinzip bei Marken. Der Gesuchsgegner verfügt über keinerlei Rechte an der Bezeichnung „Spital Uster“ sondern profitiert viel mehr von ihrer Kennzeichnungskraft, um Besucher auf seine Webseite zu locken. Der Experte bestimmt die Ãœbertragung des Domainnamens an den Gesuchsteller.

Bemerkungen

Obwohl das Spital schon sehr früh eine eigene Internetadresse registrierte, war es nachlässig: Ich rate ständig, bei Domainnamen, die aus zwei oder mehr Worten zusammengesetzt sind, immer alle Versionen zu registrieren, d.h. mit und ohne Bindestrich und auch mit und ohne Umlaut. Auch angesichts der heutigen tiefen Preise für Domainnamen ist alles andere vollkommen fahrlässig. Ich frage mich immer wieder, ob jemand, der das nicht tut, nicht einfach seinen Anspruch verlieren sollte, die nicht registrierte Version später schiedsgerichtlich einzufordern. Zwar waren Domainnamen im Jahr 1998 noch teurer, nämlich 48 Franken pro Kalenderjahr (mit quartalsweiser Abnahme der Kosten gegen Ende Jahr hin) sowie einer einmaligen Registrierungsgebühr von 80 Franken. Trotzdem konnten kaum finanzielle Überlegungen schuld daran sein, dass die Version mit Bindestrich nicht registriert wurde.

Fraglich bleibt die Gewährung des Namensschutzes für die Geschäftsbezeichnung „Spital Uster“, die genausowenig wie der Name des Zweckverbands in keinem öffentlichen Register auftaucht. Eigentlich beschränkt sich deren Schutz auf den begrenzten örtliche Geschäftsbereich des Spitals. Dieser Punkt hätte vom Experten durchaus detaillierter abgehandelt werden dürfen.

Frühere Verfahren gegen Jan Kowalski bzw. Jan Kowal betrafen die Domainnamen aldi-ferien.ch (siehe auch meine Besprechung), luzerner-kantonalbank.ch, thurgau-travel.ch und nab-home.ch. Es scheint finanziell attraktiv zu sein, Domainnamen zu registrieren und darauf Werbung zu schalten, bis sie vom besser Berechtigten zurückgefordert werden. Eine eigentliche Gefahr für Internetnutzer geht dabei vor allem im Falle von Phishingversuchen mit Bank-Domainnamen aus (wie im zweiten und letztgenannten Fall; NAB = Neue Aargauer Bank). Insofern stellt sich die Frage, ob beim Registrieren von Domainnamen nicht doch auch eine – zumindest rudimentäre – materielle Prüfung sinnvoll wäre.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2012-0013, Entscheid vom 23. Juli 2012

Siehe auch diesen Zeitungsartikel: Ein Bindestrich für 2600 Franken, Anzeiger von Uster vom 30. August 2012

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badscout24.ch: Badewannen-Händler übernimmt sich

Die Gesuchstellerin, die Scout24-Gruppe, betreibt in ganz Europa diverse bekannte Webseiten zur Vermittlung von u.a. Autos, Immobilien/Wohnungen, Stellen oder Bekanntschaften. Diese Internetauftritte sind mit dem „scout24“-Zusatz präsent, der auch als Schweizer Marken sowie als europäische Marken mit Schutzausdehnung auf die Schweiz geschützt ist. Konkret treten die Scout24 Holding GmbH, München, und die Scout24 International Management AG, Baar, auf.

Der Gesuchsgegner Roland Hirschi ist eine Privatperson mit Wohnsitz in Basel. Er scheint zwischen 2004 und 2011 an der Reinacherstrasse in Basel sowie im Internet ein Geschäft für Badeinrichtung betrieben zu haben. Daneben versuchte er unter der Internetadresse www.speckschwarte.ch (nicht mehr online) eine Plattform für Sterneköche und Gourmets aufzubauen. Ferner sind oder eher waren aufgrund einer gemeinsamen Fax-Nummer Verbindungen zur Firma Pesocom GmbH (Veranstaltungstechnik), welche in der Zwischenzeit von einer luzernischen Aktiengesellschaft übernommen wurde, vorhanden gewesen.

Der Domainname badscout24.ch wurde am 29. Juni 2009 registriert und auf die Webseite des Gesuchsgegners umgeleitet, welche damals unter www.badewelt.ch zu finden war (dieser Domainname gehört in der Zwischenzeit einer Drittperson), heute unter www.badcenter.ch bzw. www.construmat.ch. Dort werden – die Expertin Theda König Horowicz fasst dies schön zusammen – verschiedenste Badewannen und Dampfkabinen angeboten sowie Badtipps erteilt.

Vor dem Einreichen des Gesuchs hatte die Gesuchstellerin den Gesuchsgegner mehrfach abgemahnt. Dieser antwortete Ende Februar 2012, er hätte den Domainnamen für eine Kundenauswahl registriert, noch nie benutzt, und wäre bereit, über ein Angebot zu verhandeln.

Kurz nach Einreichen des Gesuchs bei der WIPO wollte der Gesuchsgegner den Domainnamen löschen lassen und teilte dies auch im Verfahren mit. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Domainvergabestelle SWITCH diesen jedoch bereits blockiert. Diese Meldung blieb die einzige Reaktion des Gesuchsgegners; er verzichtete darauf, eine Gesuchserwiderung einzureichen.

Erwägungen und Entscheid

Die Internetpräsenz der Gesuchstellerin und ihre diversen älteren Markenrechte SCOUT24 und mit Bestandteil Scout stehen zweifelsfrei fest. Negativ für den Gesuchsgegner wirkt sich aus, dass die Marken auch für Wasserleitungsgeräte und sanitäre Anlagen sowie die Vermittlung derselben Schutz beanspruchen. Damit besteht auch eine unmittelbare Verwechslungsgefahr und somit eine klare Verletzung der Markenrechte der Gesuchstellerin. Rechte des Gesuchsgegners sind keine ersichtlich. Die Expertin gibt dem Gesuch daher statt und verfügt die Übertragung des Domainnamens an die Gesuchstellerin.

Bemerkungen

Dieser Entscheid war vollkommen vorhersehbar. Dem Gesuchsgegner muss bereits bei der Registrierung des Domainnamens klar gewesen sein, dass er mit diesem die Markenrechte der Scout24-Gruppe verletzt. Wieso er ihn trotzdem registrierte und auch obwohl er bereits über mehrere aussagekräftige Domainnamen verfügte, ist unbegreiflich.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2012-0010, Entscheid vom 12. Juli 2012

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academia.ch bleibt ungenutzt – ältere Domain geht jüngerer Firma und Marke vor

Die Gesuchstellerin Academia Sprach- und Lernzentrum Basel AG wurde im Jahr 2005 gegründet und hat zwei Schweizer Marken angemeldet, welche aber noch nicht im Markenregister eingetragen wurden. Sie unterhält Standorte in Basel, Luzern, Visp und Zürich und ist entsprechend im Internet zu finden (www.academia-basel.ch, www.academia-luzern.ch, www.academia-wallis.ch, www.academia-zuerich.ch).

Ãœber die Gesuchsgegnerin ist so gut wie nichts bekannt. Abgesehen vom Haltereintrag in der SWITCH-Datenbank taucht „academiesuisse“, Demourian Achille, Genf, weder im Telefonbuch, Handelsregister, Handelsamtsblatt auf, was eigentlich gegen eine Gewerbetätigkeit spricht. Die eingetragene Adresse an der Rue du Rhône 100 entspricht einem grossen Geschäftshaus, in dem u.a. Anwaltskanzleien und Treuhandfirmen domiziliert sind. Gemäss eigener Aussage ist die Gesuchsgegnerin spezialisiert auf die Verbreitung akademischer Arbeiten und die Finanzierung von Forschungsprojekten.

Der Domainname academia.ch wurde am 13. Juli 2003 von der Gesuchsgegnerin registriert. Die Internetadresse wird seit der Registrierung nicht genutzt bzw. schaltet zu einer Bing-Suchresultatseite um. Zuvor war dieser Domainname zwischen 1998 und 2002 anderweitig vergeben und dort mit einer dreisprachigen Webseite präsent. Weiter ist hierzu und über den damaligen Halter jedoch nichts bekannt.

Die Gesuchstellerin bringt vor, auch bereits durch die Markenanmeldung Rechte am Begriff „Academia“ erhalten zu haben, welche durch die Gesuchsgegnerin verletzt werden, erstens weil eine Verwechslungsgefahr bestünde, und zweitens weil die Gesuchsgegnerin den Domainnamen überhaupt nicht benutzen würde, während ihr dadurch erhebliche Nachteile entstünden.

Die Gesuchsgegnerin erwidert, dass die Markenanmeldung noch nicht abgeschlossen sei und der Begriff ausserdem beschreibend sei. Der Domainname sei nie zulasten der Gesuchstellerin benützt worden, auch, weil sie unterschiedliche Dienstleistungen anbieten. Ausserdem sei sie überrascht, dass die Gesuchstellerin nicht die Verfügbarkeit des Domainnamens abgeklärt hatte, bevor sie im Jahr 2005 ihr Unternehmen gegründet hatten.

Erwägungen und Entscheid

Der Experte Michael A.R. Bernasconi merkt zwar an, dass bereits bei der Markenanmeldung Schutzrechte entstehen können, welche von der erfolgreichen Eintragung abhängig sind. Trotzdem sieht auch er hier einen beschreibenden Begriff, womit die Eintragung – zumindest für gewisse Waren- und Dienstleistungsklassen – vom Institut für Geistiges Eigentum möglicherweise verweigert wird. Insofern kommt er zum Schluss, dass die erste Voraussetzung im WIPO-Verfahren, nämlich der Nachweis eines klaren, bestehenden Kennzeichenrechts, nicht erfüllt ist. Damit lehnt er das Gesuch zur Übertragung des Domainnamens ab.

Bemerkungen

Ein Blick in die entsprechenden Register zeigt, dass der Begriff „Academia“ Bestandteil von 20 Schweizer Unternehmensnamen sowie einem Dutzend Schweizer Marken ist. Insofern ist tatsächlich fraglich, weshalb gerade der Gesuchstellerin erhebliche Nachteile entstehen sollen, wenn sie nicht über diesen Domainnamen verfügt.

Noch gewichtiger ist jedoch das auch von der Gesuchsgegnerin vorgebrachte Argument, dass der Domainname zur Zeit der Unternehmensgründung der Gesuchstellerin bereits registriert war. Damit wäre das Gesuch zur Übertragung des Domainnamens selbst dann abgelehnt worden, wenn der Experte die Markenrechte bejaht hätte – der ältere Domainname geht der jüngeren Marke vor. Insofern ist es fraglich, wieso die Gesuchstellerin sich überhaupt Chancen ausgerechnet hat. Sicherlich hatte sie es unterlassen, sich vor der Einreichung des Gesuchs rechtlich beraten zu lassen.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2012-0007, Entscheid vom 10. Juli 2012

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