Fluggesellschaft Chair: Umbenennung zum SchnÀppchenpreis

Die Schweizer Fluggesellschaft Germania heisst jetzt Chair Airlines. Und hatte GlĂŒck: Denn der passende Schweizer Domainname chair.ch war zum SchnĂ€ppchenpreis erhĂ€ltlich.

Noch prĂ€sentiert sich die Webseite der «freshesten» Fluggesellschaft der Schweiz, wie sich Chair Airlines selbst nennt, eher spartanisch. Es ist aber auch erst zwei Tage her, seit Chair Airlines am 11. Juni 2019 den Namenswechsel in ihrer Medienmitteilung angekĂŒndigt hat. Damit trennt sich die Schweizer Fluggesellschaft Germania Flug AG definitiv von der insolventen Germania Deutschland. Der Namenswechsel stellt eine «Wiedergeburt» und ein Bekenntnis zur Schweiz dar.

«Der â€čStuhlâ€ș steht hier für den Sitzplatz im Flugzeug, den wir verkaufen. Mit der farblichen Trennung des roten â€čchâ€ș und des blauen â€čairâ€ș im Logo deuten wir auf unsere Schweizer Herkunft hin. Sie stellt aber vor allem auch eine optimal verbildlichte Doppeldeutigkeit dar, mit der wir grafisch spielen können», erklärt Urs A. Pelizzoni, CCO und Verwaltungsrat Chair Airlines, in der Medienmmitteilung.

Umbenennung zum SchnÀppchenpreis

Mit dem neuen Namen hat die Fluggesellschaft GlĂŒck: Denn der passende Schweizer Domainname «chair.ch» wurde auf der Handelsplattform fĂŒr Domainnamen sedo.de zum Preis von nur EUR 3’490.- zum Verkauf angeboten – ein sehr guter Preis fĂŒr einen derart kurzen und prĂ€gnanten Domainnamen.

GlĂŒck hatte die Fluggesellschaft natĂŒrlich auch damit, dass der Domainname bereits zum Verkauf stand und nicht fĂŒr eine bestehende Webseite verwendet wurde. In einem solchen Fall hĂ€tte sich die Fluggesellschaft mit dem Inhaber von «chair.ch» auf einen sicherlich höheren Preis einigen mĂŒssen – denn rein rechtlich hĂ€tte sie keinen Anspruch auf den Domainnamen gehabt. Die Fluggesellschaft hat zwar im April 2019 eine Schweizer Wortmarke «chair» beim Bundesamt fĂŒr Geistiges Eigentum hinterlegt und im Mai 2019 zwei weitere (Bildmarke «chair» und Wortmarke «Chair Airlines»), doch hĂ€tten diese gegenĂŒber dem Ă€lteren Domainnamen keine Wirkung entfaltet.

.swiss-Domainname vorerst verweigert

Die ZĂŒrcher Agentur Branders, die von der Fluggesellschaft mit dem Neuauftritt betraut wurde, versuchte im April, auch den .swiss-Domainnamen «chair.swiss» zu registrieren. Dabei scheiterte sie jedoch am ĂŒberskeptischen Bundesamt fĂŒr Kommunikation: Das BAKOM verweigerte die Registrierung am 25. April 2019, sicherlich mit Verweis auf den fehlenden objektiven Bezug der Markenagentur zum englischen Stuhl.

Branders hĂ€tte dem BAKOM proaktiv Informationen zum geplanten Markenwechsel zustellen können, um den objektiven Bezug zu erklĂ€ren und einer Abweisung des Gesuchs vorzubeugen. Bessere Chancen (und auch rechtlich sicherer) hĂ€tte eine Registrierung auf den Namen der noch als solche bestehende Germania Flug AG gehabt, wie dies auch beim Markeneintrag erfolgt ist. Es ist davon auszugehen, dass die Fluggesellschaft spĂ€testens nach der Umfirmierung zu Chair Airlines am 1. Juli 2019 erneut ein Gesuch fĂŒr den Domainnamen «chair.swiss» stellen wird.

Teure MöbelstĂŒcke

Obwohl natĂŒrlich klar ist, dass sich die Fluggesellschaft nicht wegen des Stuhls fĂŒr den neuen Namen entschieden hat: Andere MöbelstĂŒcke wĂ€ren auf Englisch deutlich teurer gewesen. Denn alle gĂ€ngigen Begriffe sind bereits registriert und werden zum Teil auch fĂŒr Webseiten verwendet, beispielsweise «sofa.ch» und «couch.ch» von der PR-Firma Sofa Communication in Biel. Einzig der Tisch («table.ch») gehört einem DomainnamenhĂ€ndler aus dem Wallis, der ihn zum passenden Preis sicher verkaufen wĂŒrde.

Falls die Fluggesellschaft auch Interesse an der deutschen Version von Chair hat: «stuhl.ch» wird zurzeit fĂŒr CHF 5’000.- auf sedo.de zum Kauf angeboten.

Vorerst ist der Fluggesellschaft aber zu raten, noch ein Sicherheitszertifikat auf ihrer Webseite zu installieren. Ein solches fehlt aktuell noch, weshalb die Webseite www.chair.ch von den Browsern als «nicht sicher» eingestuft wird.

lic. iur. Thomas Schneider arbeitet als Community Manager, selbststĂ€ndiger Webdesigner und Rechtsberater fĂŒr Internetrecht und insbesondere Domain­namen. Er hat im Jahr 1998 seinen ersten Domainnamen registriert und besitzt heute ĂŒber 100 schweizerische und internationale Domainnamen.

10 Jahre Umlaut-Domainnamen in der Schweiz – ein RĂŒckblick

Vor genau zehn Jahren, am 1. MÀrz 2004 um 12:00 Uhr, wurden .ch- und .li-Domainnamen mit Umlauten zur Registrierung freigegeben. Damit kamen zu den 37 registrierbaren Zeichen (a-z, 0-9, Bindestrich) weitere 32 Zeichen europÀischer Alphabete hinzu (vgl. nachfolgende Grafik). Gleichzeitig wurde die maximale LÀnge von Domainnamen von 24 auf 63 Zeichen erhöht.

IDN-Domains: zusÀtzliche Zeichen seit 1.3.2004

Technische Aspekte

WĂ€hrend die bisher erlaubten Zeichen der ASCII-Kodierung bzw. dem amerikanischen Sprachgebrauch entsprechen, liegen die neuen Zeichen ausserhalb dieser Zeichenkodierung. Sie können deshalb nur indirekt verwendet werden, indem die Internationalisierten Domainnamen oder IDN-Domainnamen in ein ASCII-kompatibles Format (kurz: ACE) umgewandelt werden. Dabei wird mittels Punycode das nichtkompatible Zeichen entfernt und am Ende des Domainnamens in Form eines ASCII-Strings wieder hinzugefĂŒgt, in dem Position und Art des Zeichens enthalten ist. Dem Domainnamen wird das ACE-PrĂ€fix „xn--“ vorangestellt, um ihn von klassischen ASCII-Domainnamen zu unterscheiden. Beispiel:

IDN-Domainname: Beispiel hÀkeln.ch

Die Zeichenfolge „xn--“ wurde gewĂ€hlt, da sie in Namen und Worten ansonsten nicht vorkommt. Aus dieser Zeit stammt ĂŒbrigens das noch heute gĂŒltige Verbot zweier Bindestriche an dritter und vierter Stelle. Um die IDN-Domainnamen richtig „ĂŒbersetzen“ zu können, war anfangs ein spezielles Browser-Plugin nötig.

Keine Sunrise-Periode

Leider erhielten weder Inhaber von Kennzeichenrechten noch Inhaber von Domainnamen mit ausgeschriebenen Umlauten (bspe. ue statt ĂŒ) die Gelegenheit, im Voraus die entsprechenden Domainnamen zu reservieren. Eine solche Sunrise-Periode hilft, die Nachteile des „first come first served“-Prinzips abzuschwĂ€chen, da gerade bei beliebten Domainnamen mit vielen Interessenten wie „mĂŒller.ch“ viele die Ersten sein möchten. Beispielsweise wurde beim Start der Europa-Top-Level-Domain „.eu“ eineinhalb Jahre spĂ€ter eine Sunrise-Periode durchgefĂŒhrt. Eine solche ist immerhin fĂŒr die EinfĂŒhrung der Top-Level-Domain .swiss geplant – aus Fehlern wird man klug.

Persönlicher RĂŒckblick auf den 1. MĂ€rz 2004: Totales Chaos

Ich sass am 1. MĂ€rz 2004 rechtzeitig vor dem Computer, um meine gewĂŒnschten Umlaut-Domainnamen zu registrieren. Meine Liste umfasste lediglich zwei EintrĂ€ge, von denen ich bereits die Domainnamen mit ausgeschriebenen Umlauten besass. Die Nachfrage war jedoch so gross, dass SWITCH sein Netzwerk dadurch vor der Überlastung schĂŒtzte, dass nur so viele Antragsteller zugelassen wurden, wie vom System verarbeitet werden konnten. Die Vollbelastung dauerte gemĂ€ss SWITCH bis um 18 Uhr und dann nochmals nach den Nachrichtensendungen „Tagesschau“ und „10 vor 10“ mit Berichten ĂŒber den IDN-Start. Als es mir endlich gelang, zur Registrierung zugelassen zu werden, war einer der beiden Domainnamen – der fĂŒr mich wichtigere – bereits weg und bleibt bis heute verloren. Dies Ă€rgert mich noch immer.

WIPO-Verfahren um IDN-Domainnamen

Die fehlende Sunrise-Periode und das ĂŒberlastete Netzwerk am Starttag hatte wie erwartet dazu gefĂŒhrt, dass viele Domainnamen von Nichtberechtigten registriert wurden. In der Folge wurden von Inhabern von Kennzeichenrechten noch im selben Jahr 14 WIPO-Verfahren angestrebt, um Domainnamen mit deutschen Umlauten zurĂŒck zu erhalten, darunter die ÖKK, WĂŒrth, Feldschlösschen, RhĂ€zĂŒnser oder die Bank Julius BĂ€r, und ein einziges im Jahr danach betreffend zwei Domainnamen mit französischen Akzenten. Seither hat es keine weiteren WIPO-Verfahren um IDN-Domainnamen mehr gegeben. Ob ein registrierter Domainname mit ausgeschriebenem Umlaut ohne weitere Kennzeichenrechte einen Anspruch auf den identischen Domainnamen mit Umlaut verschafft, ist umstritten.

Heute in der Schweiz unbedeutend

Innerhalb der ersten 24 Stunden wurden rund 14’500 Schweizer IDN-Domainnamen registriert. Bis Mitte April 2004 stieg diese Zahl auf rund 23’500 weiter an. Ihr Anteil am gesamten Domainnamen-Bestand betrug damit 4,1%. Seither stagniert ihre Zahl und liegt heute mit rund 24’000 fast gleich hoch wie damals, wĂ€hrend die Zahl der ĂŒbrigen Domainnamen um ĂŒber das Dreifache angestiegen ist. Der Anteil der IDN-Domainnamen ist damit auf 1,3% gefallen.

Auch in der Schweizer Öffentlichkeit nimmt man die Umlaut-Domainnamen kaum wahr, da sie meist auf das Pendant mit ausgeschriebenen Umlauten umgeleitet werden. Dies auch deshalb, weil es Probleme gibt, sie fĂŒr E-Mail-Adressen zu verwenden (es wird die ACE-Version mit xn-- angezeigt) oder beim Teilen ĂŒber Soziale Medien (auch hier wird die ACE-Version angezeigt). Im Ausland hingegen findet mit der EinfĂŒhrung der neuen Top-Level-Domains mit Zeichen ausserhalb des ASCII-Bereichs, z.B. im arabischen oder asiatischen Raum, ein grosses Revival statt.

Ich empfehle, fĂŒr Website-Projekte immer beide Versionen, d.h. mit Umlaut und mit ausgeschriebenem Umlaut, zu registrieren. Ich selbst habe zum jetzigen Zeitpunkt elf Umlaut-Domainnamen registriert.

Frei gewordene Domainnamen finden dank @wiederfrei

Weshalb werden Domainnamen wieder frei? Vermutlich sind es gleichermassen Privatpersonen wie DomainnamenhĂ€ndler, die ihre registrierten Internetadressen aufgeben. Sei es, weil aus dem geplanten Web-Projekt doch nichts geworden ist, es seinen Zweck erfĂŒllt hat oder sich der Domainname trotz aller BemĂŒhungen nicht verkaufen lĂ€sst und jetzt das Portemonnaie belastet. Zwar kostet ein einzelner .ch-Domainname nicht viel (17 Franken pro Jahr bei SWITCH, gĂŒnstiger bei Partnerfirmen), doch die Menge macht’s. Und auch diese Branche spĂŒrt die wirtschaftlich schlechten Zeiten. Die Statistik von SWITCH bestĂ€tigt: Die Zunahme von .ch-Domainnamen ist rĂŒcklĂ€ufig.

Frei gewordene Domainnamen freuen Dritte. Denn bei gut 1.77 Millionen registrierten .ch-Domainnamen bleibt kaum Platz fĂŒr neue, gute Domainnamen. WĂ€hrend frei gewordene Domainnamen frĂŒher sofort in die HĂ€nde von DomainhĂ€ndlern fielen, die auf das grosse Geld mit versehentlich gelöschten Domainnamen hofften, bleiben frei gewordene Domainnamen heute wirklich frei und können von jedermann registriert werden.

Dank dem Twitter-Konto @wiederfrei weiss man jetzt auch, welche .ch-Domainnamen gerade frei geworden sind. Und das ist eine ganze Menge! Über 36’000 Tweets (= 36’000 frei gewordene Domainnamen) hat „Wieder Frei“ bereits abgesetzt, knapp 100 kommen tĂ€glich hinzu. Einige davon hĂ€tten durchaus das Potenzial, bekannt zu werden. Hier ist viel Selbstdisziplin gefragt, um nicht gleich zuzuschlagen!

@wiederfrei

Wer hinter dem Twitter-Konto steckt, ist nicht bekannt. „Die Daten sind eigentlich geheim“, meint Blick-Reporter Thomas Benkö, der auf das Twitter-Konto aufmerksam machte. Weshalb das so sein soll, ist mir nicht bekannt. Schliesslich sind die Registrierungsdaten in der SWITCH-Datenbank öffentlich. Frei gewordene Domainnamen sind lediglich nicht einfach auffindbar. Oder besser gesagt: Sie waren nicht einfach auffindbar.

Strategiepapier: Liste der schĂŒtzenswerten Bezeichnungen

Die in der Zwischenzeit von der Bundeskanzlei erhaltene Liste der schĂŒtzenswerten Bezeichnungen (siehe diesen Blogbeitrag) umfasst zurzeit abschliessend:

  • Schweiz
  • Eidgenossenschaft
  • Bern
  • Bundesrat
  • Bundeskanzlei
  • Bundeshaus
  • Bundesarchiv
  • Bundesversammlung
  • Bundesgericht
  • Von-Wattenwyl-Haus
  • RĂŒtli
  • Handelsregister
  • IdentitĂ€tskarte
  • Schweizerpass
  • MWST / Mehrwertsteuer
  • Bundessteuer
  • Schweizer Armee

Die Liste ist deshalb so kurz, weil es nur um Begriffe geht, die aus Sicht des Bundes bzw. Bundesrats wichtig sind.
Die Departemente und Ämter registrieren von sich aus eigene Domainnamen, die sie als wichtig erachten. Viele Departemente haben zum Beispiel ihr DepartementskĂŒrzel als Domainname registriert. Aufrufe dieser Internetadressen werden dann auf die offizielle Webseite weitergeleitet, z.B. www.uvek.ch → www.uvek.admin.ch.

Ich bedanke mich beim Leiter Sektion Web der Bundeskanzlei fĂŒr seine UnterstĂŒtzung.

Strategiepapier: Bundesrat will Schweizer Domainnamen fĂŒr sich beanspruchen

Am 27. Februar 2013 hat der Bundesrat seine Strategie zum Umgang mit Domainnamen verabschiedet. Einerseits beabsichtigt der Bund, gewisse staatliche Bezeichnungen und die Namen von BundesrĂ€ten fĂŒr sich zu reservieren. Andererseits sollen die gesetzlichen Grundlagen fĂŒr die Bewerbung und spĂ€tere Verwaltung der neuen gTLD .swiss geschaffen werden mit dem Ziel, den Zugang zu Domainnamen in ausreichendem Mass zu sichern (betreffend .swiss verweise ich auf den separaten Blogbeitrag).

Staatliche Bezeichnungen und Bundesratsnamen reservieren

Der Bund will eine zentrale Liste mit schützenswerten Bezeichnungen definieren, die er nach Möglichkeit als .ch-Domainnamen reserviert. Diese Liste wird nach Bedarf abgeĂ€ndert und aktualisiert. Die schützenswerten Bezeichnungen fallen insbesondere in folgende Kategorien:

  • Bezeichnungen für das Staatswesen
  • Bezeichnungen für die bundesstaatlichen Institutionen
  • Namen von BundesrĂ€tinnen und BundesrĂ€ten, Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzlern
  • Bezeichnungen von offiziellen GebĂ€uden

Für den Fall, dass Dritte diese Bezeichnungen bereits für sich reserviert haben, strengt die Eidgenossenschaft eine Übertragung nur dann an (über einen Streitbeilegungsdienst, eine Klage, oder eine eventuelle aussergerichtliche Einigung), wenn ihrem Ansehen andernfalls erheblicher Schaden zugefügt werden könnte.

Bereits belegte Domainnamen

Ich habe bei der Bundeskanzlei diese Liste angefordert, sie bisher aber noch nicht erhalten. (Nachtrag: Ich habe die Liste am 28. Februar 2013 erhalten, siehe diesen Blogbeitrag) Trotzdem bin ich davon ĂŒberzeugt: Alle Bezeichnungen sind bereits belegt. Hier kommt der Bundesrat rund 10-15 Jahre zu spĂ€t. Damit stellt sich die Frage, in welchen FĂ€llen dem Ansehen der Schweiz erheblicher Schaden zugefĂŒgt werden könnte.

Muss auf der Webseite unter dieser Bezeichnung erreichbare Webseite strafrechtlich relevanter Inhalt aufgeschaltet sein? Reichen Schweiz-feindliche Inhalte, die aber durch die MeinungsĂ€usserungsfreiheit gedeckt sind? Ist der Tatbestand erfĂŒllt, wenn die Internetadresse einem AuslĂ€nder gehört? Und nicht erfĂŒllt, wenn auf der Webseite zu lesen ist, dass es sich hier nicht um eine Webseite des Bundes handelt? Bei einem inaktiven Domainnamen ist das Risiko höher als bei einer aktiven Webseite, dass hier zukĂŒnftig negativer Inhalt zu sehen ist. Aber auch hier ist dies nicht auszuschliessen – theoretisch ist es in sĂ€mtlichen FĂ€llen möglich, dem Ansehen der Schweiz schadenden Inhalt online zu schalten. Da jedoch ein erheblicher möglicher Schaden vorausgesetzt wird, liegt es am Bund, diesen Nachweis zu erbringen. Das wird ihm höchstens in FĂ€llen von offensichtlichem Missbrauch möglich sein – schon nur deshalb, weil sich die bestehenden Internetadressen des Bundes, z.B. mit dem Zusatz .admin.ch fĂŒr jede Verwaltungseinheit oder www.bger.ch fĂŒr das Bundesgericht, eingebĂŒrgert haben.

Und was ist in den FĂ€llen, in denen der momentane Halter eigene Kennzeichenrechte am Domainnamen geltend machen kann, z.B. der Inhaber einer gleich lautenden Marke oder ein Namensvetter eines Bundesrats.

Konkrete FĂ€lle?

Bezeichnungen für das Staatswesen: Der Bund hatte im Jahr 2006 die von einer Privatperson registrierten Domainnamen schweiz.ch, suisse.ch und svizzera.ch erstritten. eidgenossenschaft.ch gehört bereits der Bundeskanzlei, bund.ch jedoch Tamedia (Zeitung „Der Bund“). TatsĂ€chlich wurde schweizerische-eidgenossenschaft.ch aber von einem St. Galler Unternehmen registriert. Dies wĂ€re ein möglicher Fall.

Bezeichnungen für die bundesstaatlichen Institutionen: Interessanterweise hat zurzeit kein einziges Bundesamt seinen vollen Namen als Domainname registriert („bundesamt… .ch“). Die Domainnamen bundesamt.ch und stĂ€nderat.ch gehören einer Privatperson und sind weiterere mögliche Kandidaten. Das bundesamt-fuer-bekleidung.ch hingegen scheint harmlos – dass es kein solches Bundesamt gibt, ist vermutlich allgemein bekannt. Eher fĂŒr Verwechslungen könnten die AbkĂŒrzungen von BundesĂ€mtern und Departementen sorgen, die bisher nur als Third Level Domain unter admin.ch existieren. TatsĂ€chlich gehören mir selbst zwei solche Domainnamen, die als Beispiele hinhalten mĂŒssen: rhf.ch (www.rhf.admin.ch: Internationale Rechtshilfe) und evd.ch (www.evd.admin.ch: das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement). Und was ist mit BundesĂ€mtern mit nur zweibuchstabigem KĂŒrzel wie die Bundeskanzlei (BK)? Bisher mĂŒssen Domainnamen – mit Ausnahme der Kantone und der nicht mehr registrierten Expo.01 (01.ch) – eine MindestlĂ€nge von drei Zeichen aufweisen. Wird diese Regel wie in Deutschland aufgehoben, um Domainnamen wie bk.ch zu ermöglichen?

Namen von BundesrĂ€tinnen und BundesrĂ€ten, Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzlern: Bereits angesprochen wurden die Namensvettern von BundesrĂ€ten. So liefert das Telefonbuch 44 EintrĂ€ge fĂŒr Samuel Schmid. Dass hier der eine dem andern vorgehen soll, ist rechtlich nicht vertretbar. samuelschmid.ch gehört ĂŒbrigens dem Alt-Bundesrat, wĂ€hrend samuel-schmid.ch einem Theologen und Aargauer Regierungsrat gehört. Dass dieser seine Webseite zugunsten des Alt-Bundesrats aufgeben soll, ist kaum vorstellbar. Und sind hier nur die kompletten Namen geschĂŒtzt wie z.B. evelinewidmerschlumpf.ch (gehört nicht der BundesrĂ€tin), oder auch Teile davon, z.B. eveline.ch, widmer.ch oder schlumpf.ch? Das wĂ€re dann endlich ein guter Grund, selbst Bundesrat zu werden: Ich möchte schon lange gerne schneider.ch besitzen, der einer Softwarefirma gehört. Dieser Punkt ist am wenigsten durchdacht. Dass haufenweise zukĂŒnftige BundesrĂ€te ehrbaren Privatpersonen ihre Domainnamen wegnehmen dĂŒrfen, kann nicht sein. Und was ist beim RĂŒcktritt des Bundesrats? Muss dieser den erwzungenen Domainnamen dann zurĂŒckgeben? Ausserdem zielt es weit an der Wirklichkeit vorbei: Schliesslich hat heute jeder Politiker (wie auch viele andere Privatpersonen) seine eigene Webseite inkl. Domainname, zur UnterstĂŒtzung seines Wahlkampfs oder um im Kontakt mit seinen WĂ€hlern zu bleiben, und bedarf keines solchen Schutzes.

Bezeichnungen von offiziellen GebÀuden: bundeshaus.ch ist durch ein Unternehmen besetzt, ebenso mon-repos.ch, der Standort des Bundesgerichts. bundesplatz.ch hÀlt eine Privatperson. Immerhin gehören die Nationalbank und die Bundesgerichte sich (als Domainnamen) selbst.

Weitere Top Level Domains

Der Bund möchte sich jedoch nicht nur auf .ch-Domainnamen beschrĂ€nken. Er sieht vor, diese Bezeichnungen auch unter weiteren Top Level Domains (TLD) zu registrieren, und zwar „primĂ€r in generischen Top Level Domains, die einen nicht-kommerziellen Charakter haben“, also beispielsweise .info oder .org. Eine Registrierung in anderen Registern erfolgt gemĂ€ss dem Strategiepapier dann, wenn die Registrierung für den Bund einen Mehrwert bietet. So in LĂ€nder-TLD (sog. Country Code TLD oder ccTLD), die aber als generische TLD verwendet werden wie .tv. Keine Registrierung soll unter den ccTLD anderer LĂ€nder erfolgen.

Zusammenfassung

Das Strategiepapier kommt viel zu spĂ€t und ist realitĂ€tsfremd: Der allergrösste Teil der Domainnamen gehören entweder bereits dem Bund oder ansonsten Privatpersonen und Unternehmen, von denen viele eigene AnsprĂŒche geltend machen können. Da sie nur eingefordert werden sollen, wenn sie dem Ansehen der Schweiz erheblich schaden, was vom Bund nachzuweisen ist, wird dies kaum je der Fall sein.

WeiterfĂŒhrende Informationen:

lego.ch: Kein Anschluss unter dieser Nummer

Der dĂ€nische Spielwarenhersteller Lego ist der unangefochtene Spitzenreiter als hĂ€ufigster Gesuchsteller in WIPO Schiedsgerichtsverfahren. Fast tĂ€glich werden dem Unternehmen Lego-Domainnamen zugesprochen, die von Domaingrabbern und sonstigen Personen registriert wurden. Lego ist sehr strikt darin, solche auch nicht fĂŒr Fan-Seiten zuzulassen. Die dabei erhaltenen Domainnamen werden nicht etwa gelöscht, sondern vom Unternehmen behalten. Mittlerweile muss ihre Zahl in die Tausende gehen, mit den entsprechenden jĂ€hrlichen RegistrierungsgebĂŒhren.

Umso mehr erstaunt, dass die Lego-Webseite nicht auf schweizerische oder österreichische Internetadressen anspricht. Wer nĂ€mlich www.lego.ch oder www.lego.at in die Adresszeile tippt, landet zwar auf der Lego-Webseite www.lego.com, erhĂ€lt aber die Meldung „Page not found“.

lego.ch

Die Schweiz und Österreich scheinen die einzigen europĂ€ischen LĂ€nder zu sein, die keine „eigene“ Lego-Webseite haben. Dies ist kein Versehen, sondern eine bewusste Entscheidung von Lego, deren Grund jedoch unbekannt bleibt – vermutlich eine Mischung aus dem Fehlen einer eigenen Sprache und Unwichtigkeit. Das ist sehr bedauerlich und ziemlich nachlĂ€ssig. Denn es wĂ€re einfach gewesen, eine Umleitung zu Lego Deutschland oder direkt zum Schweizer Lego-Shop (shop.lego.com/de-CH) zu programmieren. Es ist zu hoffen, dass sich das bald Ă€ndert.