ubisoft.ch bleibt Game-Domain

Die Gesuchstellerin Ubisoft AG in Allschwil BL entwickelt, produziert und vertreibt Produkte aus Silikonkautschuk und sonstigen Kunststoffen und handelt mit Brillen und Kontaktlinsen. Sie wurde am 18. April 1988 gegründet und scheint bisher weder über eine Webseite noch eine Internetadresse zu verfügen.

Die Gesuchsgegnerin Ubi Games SA in Lausanne VD wurde am 26. Juli 2000 unter dem Namen Ubi Soft Entertainment SA gegründet. Sie ist Teil des französischen Computer- und Videospiele-Herstellers Ubisoft Entertainment, das seit 1986 besteht und weltweit mehr als 3’500 Mitarbeitern beschäftigt. Sie besitzt europäische Wort- und Bildmarken „Ubisoft“ mit Schutzausdehnung auf die Schweiz, registriert im Jahr 2005.

Der Domainname ubisoft.ch wurde am 14. November 2001 registriert. Er führt zu einer Einzelseite mit Links zu ausländischen Ubisoft-Webseiten (www.ubisoft.com, www.ubi.com).

Die Gesuchstellerin hatte im Jahr 2004 beim Amtsgericht Lausanne aufgrund ihres älteren Bestehens und der Verwechslungsgefahr der Firmennamen den Namenswechsel der Gesuchsgegnerin beantragt. Diese ist dieser Aufforderung freiwillig nachgekommen und hat im Rahmen einer Mitgliederversammlung den Namenswechsel beschlossen. Dies wirkte sich natürlich nur auf die Schweizer Niederlassung aus.

Da die Gesuchstellerin seither das einzige Schweizer Unternehmen mit der Firma „Ubisoft“ ist, ist sie der Ansicht, dass der entsprechende Domainnamen ihr zustehe und er an sie zu übertragen sei.

Erwägungen und Entscheid

Beide Parteien verfügen über Kennzeichenrechte, die ihnen eine Berechtigung an der Bezeichnung „Ubisoft“ verschaffen. Keine dieser Rechte gehen den anderen vor. Aufgrund der Zugehörigkeit zur weltweit tätigen Ubisoft-Gruppe und dem Mitgebrauch derer Markenrechte verstossen weder die Registrierung noch die jetzige Benutzung des Domainnamens durch die Gesuchsgegnerin gegen Kennzeichen- oder Wettbewerbsrecht, zumal sich auch die angebotenen Waren nicht überschneiden bzw. sich an ein unterschiedliches Zielpublikum richtet. Im Gegenteil: Die Gesuchsgegnerin verfügt damit über einen eigenen Anspruch am Domainnamen.

Mangels einer besseren Berechtigung verbleibt der Domainname damit beim bisherigen Inhaber. Der Experte Jacques de Werra lehnt das Gesuch zur Übertragung des Domainnamens ab.

Bemerkungen

Die Gesuchstellerin scheint den Einstieg ins Internet komplett versäumt zu haben. Nicht nur, dass sie bis heute keine Webseite zu haben scheint, sie hat auch über zehn Jahre mit dem Einklagen des Domainnamens zugewartet. Damit hätte sich ihr Anspruch vermutlich auch verwirkt, was im WIPO-Verfahren aber jeweils nicht geprüft wird.

Die Gesuchstellerin hatte als zusätzliches Argument vorgebracht, dass sie ständig Telefonanrufe für die Gesuchsgegnerin erhalte und auch deshalb der Domainname auf sie zu übertragen sei. Der Experte hat dieses Argument zurecht nicht zugelassen, da diese irrtümlichen Anrufe einzig aufgrund der Identität ihres Firmennamens mit dem der weltweit bekannten (und wohlgemerkt auch zwei Jahre älteren!) Spieleherstellerin herrühren. Im Gegenteil: Unter dem Domainnamen sind prominent die korrekten Kontaktinformationen aufgeführt.

Sowieso ist wegen den gewichtigen Argumenten der Gesuchsgegnerin fraglich, ob sich die Gesuchstellerin vor der Eröffnung des WIPO-Verfahrens juristisch beraten liess oder nicht. Es wäre wesentlich ratsamer gewesen, einfach das zu machen, was auch viele anderen Unternehmen machen mussten und müssen, deren Wunschadresse bereits vergeben ist: einen anderen Domainnamen registrieren. Frei wären z.B. ubisoft.ag (Antigua/Aktiengesellschaft) oder ubisoft-ag.ch.

Der Experte hat die Übertragung des Domainnamens zurecht abgelehnt.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2012-0011, Entscheid vom 2. Juli 2012

Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/ubisoft.ch

tropicana.ch: WIPO erlaubt Markenblockierung durch inaktiven Domainnamen

Tropicana ist eine vor allem in den USA bekannte Fruchtsaftmarke, deren Produkte aber auch in den hiesigen Supermärkten erhältlich sind. Seit 1993 ist der Begriff „Tropicana“ auch als Schweizer Marke hinterlegt.

Den entsprechenden Domainnamen „tropicana.ch“ hatte am 8. Juli 1998 aber bereits eine Privatperson, Christian Hohnbaum aus Wünnewil, registriert. Seit seiner Registrierung ist der Domainname allerdings inaktiv geschaltet, d.h. nicht erreichbar. Gemäss den Angaben von Herrn Hohnbaum wollte er unter dieser Adresse der gleichnamigen Band einer Kollegin einen Internetauftritt erstellen. Aktuell plane er unter dieser Adresse eine Marketing- und Verkaufsplattform für OEM-Produkte (Produkte, die der Hersteller nicht selbst in Umlauf bringt, z.B. das Betriebssystem Windows auf einem Dell-Computer) für Schüler und Studenten, für deren Planung er bereits 20’000 Franken bezahlt habe.

Scheinbar fanden im Jahr 2006 Verhandlungen über den Kauf des Domainnamens zwischen den Parteien statt. Tropicana Products habe den Kauf für 1’000 Franken abgelehnt und sich danach nicht wieder gemeldet. Tropicana ist seither unter der Adresse www.mytropicana.ch zu finden.

Zwar anerkennt der Experte, Herr Tobias Zuberbühler, den Bestand der Schweizer Marke der Gesuchstellerin. Er stellt jedoch darauf ab, dass die inaktive Registrierung eines Domainnamens nicht als markenrechtlicher Gebrauch gelte. Dies würde selbst dann gelten, wenn es sich um eine berühmte Marke (wie z.B. Coca-Cola) handeln würde. Handeln könne der Markeninhaber erst, wenn sich eine drohende Verletzung konkretisiert, beispielsweise wenn eine Webseite für ähnliche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen am Entstehen ist.

Der Experte glaubt den Behauptungen des Gesuchstellers und befindet, dass weder die Musikband noch der Verkaufsshop die Markenrechte von Tropicana Products verletzen, da es sich dabei um ein abweichendes Angebot handle. Insofern bestehe keine unmittelbare Verwechslungsgefahr zwischen der Marke und dem identischen Domainnamen. Auch sei keine Behinderung der Tätigkeit von Tropicana Products ersichtlich, da diese auf eine andere Internetadresse ausweichen konnte, führt der Experte weiter aus. Er merkt schliesslich an, dass „angesichts der fehlenden Berühmtheit der Marke in der Schweiz und der Tatsache, dass der Begriff ‚Tropicana‘ (eine Abwandlung des spanischen Worts trópica/trópical = tropisch) auch für die Bezeichnung von Clubs und Restaurants geläufig ist, […] kein ausschliesslicher Anspruch der Gesuchstellerin auf den streitigen Domainnamen [bestehe].

Insofern weist der Experte das Gesuch ab.

Der letzte Teil der Begründung erstaunt. Im früheren Entscheid zur Marke Artemis hatte der dortige Experte ausgeführt, dass die Marke trotz des Vorhandenseins anderer Firmen mit demselben Namen nicht verwässert werde und der Monopolanspruch bestehen bleibe. Beim erwähnten Entscheid wurde diese Begründung für die Übertragung des Domainnamens herangezogen, im vorliegenden Entscheid für die Abweisung des Gesuchs. Ein solch inkonsistentes Vorgehen schadet der Glaubwürdigkeit der WIPO-Verfahren.

Daneben lässt der Entscheid eine grosse Frage weiterhin offen: Wie können sich Markeninhaber wehren, wenn ihr Domainname bereits registriert, aber inaktiv ist? Folgt man der Logik dieses Entscheids, lautet die Antwort: Gar nicht. Dies vermag nicht zu befriedigen.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2011-0013, Entscheid vom 10. August 2011

Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/tropicana.ch

Artemis gegen Artemis lässt kleine Kosmetikstudio-Betreiberin chancenlos

Die erst seit wenigen Jahren im Schweizer Handelsregister eingetragene Artemis Suisse SA in Herisau scheint seit 1960 eine internationale Marke „Artemis“ mit Wirkung in der Schweiz für Kosmetikprodukte zu besitzen. Unter der Bezeichnung „Artemis of Switzerland“ vertreibt sie wie viele andere Kosmetikfirmen auch Gels, Crèmen, Seren und Weiters für die Hautpflege. Ihre Produkte sind bei Douglas erhältlich.

Das Kosmetik-Studio Artemis in Brütten ist dagegen ein kleiner Fisch. Es ist eines von vielen Ein-Frau-Kosmetikstudios, die sich ebenfalls des Namens der griechischen Göttin der Jagd, des Waldes und der Hüterin der Frauen und Kinder bedienen, die sinnbildlich für Schönheit und Weiblichkeit steht. Die eidgenössisch diplomierte Kosmetikerin Trixi Guthöhrlein bietet kosmetische Gesichtspflege, Enthaarungen mit Warmwachs, Wimpernverlängerungen und Augenbrauen-Färben an. Und ist damit der Artemis Suisse SA ein Dorn im Auge. Die Kosmetikfirma verlangt die Übertragung der vor vier Jahre registrierten Internetadresse der Kosmetikerin, kosmetik-studio-artemis.ch.

Das bisherige Kosmetik-Studio-Artemis.ch

Sowieso scheint „Artemis“ ein beliebter Name zu sein: So gibt es Markeneintragungen für Uhren, Reinheit und Rennsport. Im Telefonbuch finden sich neben weiteren kleinen Kosmetikstudios auch Coiffeurgeschäfte, Restaurants, Bars, Hotels, Kunstgalerien, ein Geburtshaus, eine Informatikfirma, eine Lebensberaterin, eine Hundeschule und viele Privatpersonen mit diesem Namensbestandteil. Weiter ist Artemis der Name eines Satellits, eines Mondkraters, einer forensischen Software der Polizei, eines Segel- sowie eines Kreuzfahrtschiffs, einer Flugabwehrkanone, eines Smartphones, eines grosses Bordells in Berlin, eines Verlags, eines Streichquartetts und der Romanfigur Artemis Fowl.

In diesem Sinne argumentiert die von Frau Guthöhrlein beauftragte renommierte Anwaltsfirma, dass dem Begriff „Artemis“ erstens keine Unterscheidungskraft zukomme, dieser Gemeingut darstelle und daher freihaltebedürftig sei. Zumindest, weil der Gebrauch durch zahlreiche Drittpersonen zu einer Verwässerung der Marke geführt habe. Zweitens sei die Marke nur für Waren hinterlegt worden, die Kosmetikerin würde hingegen nur Dienstleistungen anbieten. Aufgrund der unterschiedlichen Schutzklassen bestehe keine Gleichartigkeit im Sinne des Markenschutzgesetzes. Und drittens es habe die Artemis Suisse SA jahrelang unterlassen, juristisch gegen andere Artemis-Firmen vorzugehen, womit sie ihre Ansprüche verwirkt hätten.

Diese stichhaltigen Argumente überzeugen den Experten, Michael A.R. Bernasconi, nicht. Er stuft den Begriff „Artemis“ als Fantasiebezeichnung ein und ist der Meinung, dass Kosmetikfirmen trotz der Monopolisierung dieses Begriffs weiterbestehen können bzw. in ihrer Markttätigkeit nicht übermässig eingeschränkt sind. Somit bestehe ein gültiger Markenschutz.

Bezüglich der Verwässerung der Marke stellt er auf das Schweizer Markenregister und das Handelsregister ab und kommt zum Schluss, dass die geringe Zahl von drei weiteren Artemis-Kosmetikfirmen nicht ausreiche, um die Marke zu verwässern. Dabei ignoriert er – absichtlich oder nicht – die zahlreichen Ein-Frau-Kosmetikstudios, die sich kaum je um juristische Spitzfindigkeiten wie Markenschutz oder Handelsregistereintrag bemühen, da sie auch ohne diesen tätig sein können und meistens den Mindestumsatz nicht erreichen, ab dem ein Handelsregistereintrag auch für Einzelunternehmungen zwingend vorgeschrieben ist.

Weiter führt der Experte aus, dass Gleichartigkeit im Sinne des Markenschutzgesetzes auch im Verhältnis zwischen Waren und Dienstleistungen besteht. Zumindest dort, wo das eine Angebot die Voraussetzung des andern Angebots darstellt. Dies sei vorliegend gegeben, da eine Kosmetikerin für ihre Arbeit auf Kosmetikprodukte angewiesen sei. Dies vermag nicht zu überzeugen. Beim Hinterlegen einer Marke muss man sich bewusst für einzelne Waren- und/oder Dienstleistungsklassen entscheiden, für die der Schutz gelten soll. Werden mehr als drei Klassen beansprucht, untersteht jede zusätzliche Klasse einer Gebührenpflicht. Die Artemis Suisse SA hatte bewusst nur die Warenklasse, nicht aber die Dienstleistungsklasse registriert. Dies zeigt auch die Tatsache, dass die Kosmetikfirma im Jahr 2010 eine weitere Marke für eben diese Klasse 44 (Schönheitspflege für Menschen) registriert hatte. Für den älteren Domainnamen ist diese neue Markeneintragung jedoch irrelevant.

Schliesslich geht Herr Bernasconi auch auf die Frage der Verwirkung der Unterlassungsansprüche ein. Er stellt jedoch darauf ab, dass die Verwirkungsfrist erst ab Kenntnis des Domainnamens und damit des Abwehranspruchs zu laufen beginnt. Beweispflichtig für den (frühen) Zeitpunkt des Kenntniserwerbs sei, wer die Verwirkung geltend macht. Konkret sei die Kosmetikstudiobetreiberin dieser Beweispflicht nicht nachgekommen.

Leider fehlt dem Verfahrensreglement für Schweizer Domainnamen der Passus des internationalen Verfahrens, wonach (hier meiner Meinung nach bestehende) entgegenstehende Rechte des beklagten Domainnamen-Inhabers die Übertragung des Domainnamens verhindern. Daher entscheidet der Experte, dass der Domainname „kosmetik-studio-artemis.ch“ auf die Artemis Suisse SA zu übertragen sei.

„Qualität ohne Kompromisse“ ist einer der Werbesprüche der Artemis Suisse SA. Kompromisslos scheint die Firma auch gegenüber kleinen Kosmetikstudios zu sein. Es ist zu befürchten, dass dies lediglich ein Test war und die Artemis Suisse SA nach diesem erfolgreichen Reverse Domain Name Grabbing nun gegen weitere Kosmetikerinnen vorgehen wird.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2011-0011, Entscheid vom 22. Juni 2011

Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/kosmetik-studio-artemis.ch

Keine Aldi-Ferien.ch für eine Privatperson

Die deutsche Tiefpreis-Supermarktkette Aldi ist seit 2005 auch in der Schweiz vertreten und besitzt hier mittlerweile 130 Filialen. Zum Angebot des Discounters gehören neben Lebensmitteln, Kleidung, Haushalt- und Gartengeräten und Elektronik inkl. Mobiltelefone auch umfangreiche Ferien- und Reiseangebote. Diese umfassen Flugreisen, Schiffsreisen, Rundreisen, Städtereisen, Autoreisen und Last Minute-Reisen (zu finden unter www.aldi-suisse-tours.ch). Aldi hat mehrere Schweizer Marken hinterlegt, u.a. auch für Reisedienstleistungen.

Im 2009 registrierte Jan Kowal aus Polen den Domainnamen aldi-ferien.ch. Parking-Webseite mit bezahlten Links auf zahlreiche Reisen- und Ferienanbieter.

Das Aldi-Mutterhaus und Aldi Schweiz beantragen, der Domainname sei auf sie zu übertragen.

Angesichts der klaren Sachlage und des Schweigens des Beklagten ist der Entscheid des Experten, Dr. Gérald Page, absehbar. Er bejaht den Firmen- und Markenschutz von Aldi inkl. Berühmtheit der Marke und die Gleichartigkeit und damit Verwechselbarkeit des streitgegenständlichen Domainnamens. Verteidigungsgründe wurden nicht vorgebracht und seien auch aus den Akten nicht ersichtlich. Der Experte entscheidet die Übertragung des Domainnamens an Aldi.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2011-0012, Entscheid vom 16. Juni 2011

dessange.ch: Coiffeur-Salon obsiegt gegen Cybersquatter

Der heute 85-jährige Jacques Dessange wurde als Coiffeur unweit der Champs-Elysée in Paris bekannt. Mittlerweile hat er sich ein weltweites Unternehmen in den Bereichen Haute Couture, Luxus und Schönheit aufgebaut. Zu diesem gehören über 500 Salons in 45 Ländern. Auch in der Schweiz ist „Dessange Paris“mit 23 Coiffeurgeschäften in der Westschweiz, dem Wallis sowie in Lugano und Basel tätig. Das Unternehmen hat mehrere internationale Marken „Dessange“ mit Wirkung in der Schweiz hinterlegt und ist unter diversen TLD-Endungen (dessange.com, .eu, .fr, .net, .asia) zu finden.

Der Gesuchsgegner, Hamoudi Dridah, eine in Lucens im Kanton Waadt wohnhafte Privatperson, hatte den Domainnamen am 21. September 2009 registriert. Daneben besitzt er weitere zweifelhafte Internetadressen, die aber hauptsächlich aus Begriffen des Gemeinguts bestehen (z.B. turning.ch, usinage.ch, grossistes.ch). Den strittigen Domainnamen „dessange.ch“ wollte er aber nicht selbst nutzen, sondern hat ihn gemäss den Angaben von Dessange auf seiner Webseite für 3’000 Euro zum Verkauf angeboten.

Nach einem erfolglosen Schlichtungsversuch hat sich Herr Dridah nicht weiter zu den Aussagen des Gesuchstellers geäussert. Angesichts der klaren Sachlage hätte dies auch zu nichts geführt. So folgte der Experte, Christophe Imhoos, denn auch dessen Ausführungen: Der Gesuchsteller verfügt über eine starke Marke im Bereich Friseurdienstleistungen mit Schutz in der Schweiz. Diese ist identisch mit dem Domainnamen, was die Gefahr einer falschen Zuordnung der Webseite bzw. das Risiko einer Fehlinterpretation der Person hinter der Webseite schafft – die Verwechslungsgefahr ist offensichtlich.

Daneben hat sich der Gesuchsgegner gemäss dem Experten mit seinem öffentlichen Verkaufsangebot für einen Preis deutlich über der Registrierungsgebühr auch unlauter verhalten. Beides rechtfertigt die Übertragung des Domainnamens auf den Gesuchsteller, welche der Experte anordnet.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2011-0006, Entscheid vom 20. Mai 2011

München streitet sich um den Feinkost-Käfer

Die Käfer GmbH ist ein Feinkost-Unternehmen mit gut 80-jähriger Geschichte und mehreren hundert Mitarbeitern mit Sitz in München. Neben dem riesigen Feinkostladen gehören mehrere Gastronomiebetriebe und ein international tätiger Party-Service zum Unternehmen. Neben www.feinkost-kaefer.de ist es unter den verschiedensten Domainnamen mit und ohne Bindestrich, mit und ohne Umlaut sowie unter diversen Top Level Domains im Internet erreichbar.

Nicht jedoch unter www.feinkost-kaefer.ch. Denn diesen Domainnamen hatte ein Konkurrenzbetrieb, die Starcookers GmbH, ebenfalls aus Müchen, vor drei Jahren für sich registriert. Besucher werden dabei auf die eigentliche Starcookers-Webseite umgeleitet. Verständlicherweise sind die Käfer darüber nicht erfreut.

Das renomierte Berner Anwaltsbüro Fuhrer Marbach & Partner, welche die Firma Käfer vertritt, hat beim WIPO-Verfahren ein leichtes Spiel. Denn der Gesuchsgegner hat keine Antwort eingereicht. Bei der klaren Sachlage hätte dies aber vermutlich auch zu nichts geführt.

Der Experte, Michael A.R. Bernasconi, folgt dann auch den Vorbringungen des Gesuchstellers. Einerseits verletzt Starcookers die internationalen Markenrechte mit Schutzausdehnung auf die Schweiz. Aufgrund der Zeichenidentität (Käfer – Kaefer) und der Identität von Waren und Dienstleistungen ergibt sich eine erhebliche Verwechslungsgefahr. Andererseits hat sich Starcookers unlauter verhalten, indem er bewusst Massnahmen getroffen hat, die geeignet sind, Verwechslungen mit Waren und Dienstleistungen von Käfer herbeizuführen. Somit verfügt der Experte zu Recht die Übertragung des Domainnamens.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2011-0010, Entscheid vom 5. Mai 2011

turkcelleurope.ch: Autobatterie schlägt Mobiltelefonie-Gigant wegen fehlendem Kennzeichenrecht

Turkcell ist ein in der Türkei führender Anbieter von Mobiltelefonie (vermutlich ähnlich wie Swisscom in der Schweiz) und dank Roaming auch international tätig und bekannt. Eher unbekannt sind hingegen Turkcelleurope Autobatterien. Beide Angebote machen insofern Sinn, als das englische Wort „cell“ sowohl für Mobiltelefon (cell phone) als auch für Batterie (battery cell) stehen kann.

Yusuf Keyis, eine Privatperson mit Wohnsitz in Olten, importiert Autobatterien aus der Türkei und preist sie in der Schweiz unter dem Namen „Turkcell Europe Power“ an. Viel zu verdienen scheint er damit nicht. Offenbar bleibt er unterhalb der Umsatzschwelle, ab der eine Einzelunternehmung ins Handelsregister eingetragen werden muss.

Eines hat der Autobatterien-Importeur aber: Den Domainnamen „turkcelleurope.ch“, den er erst im Dezember 2010 registriert hatte. Und den will jetzt auch der Mobiltelefonie-Anbieter, der identische Domainnamen unter verschiedenen Top Level Domains (TLD) besitzt, darunter .com, .de, .at oder .nl.

Im Gegensatz zu früheren WIPO-Verfahren, in denen der Mobiltelefonie-Anbieter obsiegt hatte (D2010-0010 und D2010-0152), hat er in der Schweiz aber einen Nachteil. Denn er besitzt hier weder eine Niederlassung, die ein inländisches Firmenrecht auslösen würde, noch eine (ältere) Schweizer Marke, auf die er sich stützen könnte. Das WIPO-Verfahren für Domainnamen unter der TLD .ch setzt aber genau ein solches Schweizer Kennzeichenrecht voraus. Aufgrund des unterschiedlichen Angebots ist auch das Wettbewerbsrecht keine Hilfe.

Damit bleibt dem Experten Daniel Kraus gar nichts anderes übrig, als das Gesuch des türkischen Mobiltelefonie-Anbieters abzulehnen.

Dieses Ergebnis vermag nicht zu befriedigen. Yusuf Keyis hat aufgrund seiner türkischen Wurzeln sicherlich Kenntnis vom dortigen Mobiltelefonie-Gigant. Da er (auch) als Webdesigner/Webmaster tätig ist („10line.ch“), war es für ihn ein Leichtes, den freien Domainnamen zu registrieren und unter dieser Adresse eine kostenlose Webshop-Lösung (XTC von XT-Commerce) zu installieren. Ob er tatsächlich Autobatterien importiert oder dies lediglich vorgibt, um eine eigene Berechtigung am Namen zu erreichen, kann nicht überprüft werden. Es ist jedoch denkbar, dass ein staatliches Gericht diesen Entscheid umstossen wird.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2011-0007, Entscheid vom 12. Mai 2011

laduree.ch geht ganz klar an die Markeninhaberin

Ladurée ist eine Luxus-Konditorei aus Frankreich, welche die Makrönchen erfunden hatte, die wir hauptsächlich als Luxemburgerli von Sprüngli kennen. Mittlerweile gibt es viele Filialen in einem Dutzend Ländern, welche von Lizenznehmern betrieben werden. Das Unternehmen hat seit dem Jahr 2004 diverse Schweizer Marken hinterlegt und im 2005 den ersten Schweizer Lizenzvertrag abgeschlossen. Trotzdem hatte es versäumt, die passende Schweizer Internetadresse laduree.ch zu registrieren.

Dies hatte sich die Gesuchsgegnerin zunutze gemacht. Die Pumpstation Gastro GmbH in Kilchberg registrierte den noch freien Domainnamen am 21. Dezember 2007 in der Hoffnung, dass ebenfalls eine Zusammenarbeit mit Ladurée zustande kommt. Dazu kam es jedoch nicht. Auf die Übertragungsaufforderung von Ladurée hin hat die Pumpstation Gastro GmbH die Übertragung gegen 10’000 Euro in Aussicht gestellt. Daraufhin wurde das WIPO Schiedsgerichtsverfahren eingeleitet.

Dieses war für den alleinigen Experten, Herr Daniel Kraus, eine relativ einfache Sache. Denn die Gesuchsgegnerin hat keine Antwort eingereicht. Der Domainname ist identisch mit den Marken der Gesuchstellerin, womit eine grosse Gefahr der falschen Zuordnung der Webseite bzw. eine Fehlinterpretation der dahinter stehenden Person besteht (Stichwort „Verwechslungsgefahr“). Der Gesuchsgegner hatte den Domainnamen in Kenntnis der Gesuchstellerin und ihrer Marken registriert.

Zu Recht ordnet der Experte die Übertragung des Domainnamens an die Gesuchstellerin an. Trotzdem frage ich mich, ob registrierfaule Firmen geschützt werden sollen, die ihren Firmen- und identischen Markennamen nicht ebenfalls als Internetadresse registrieren, und zwar in allen möglichen Schreibweisen (mit und ohne Umlaut, mit und ohne Bindestrich, absehbare Falschschreibungen). Schweizer Domainnamen können seit dem Jahr 1997 registriert werden. Wer das – bei bereits so lange bestehendem Unternehmen – zehn oder noch mehr Jahre später immer noch nicht getan hat, hat meiner Meinung nach durch konkludentes Nichthandeln auf den Domainnamen verzichtet und damit seinen Anspruch darauf verwirkt.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2011-0009, Entscheid vom 4. Mai 2011

comparez.ch: Das französische „Vergleichen Sie“ wird Comparis zugesprochen

Der französische Imperatif „comparez“ (vergleichen Sie!) darf nicht von einem anderen Vergleichsdienst aus dem französischsprachigen Teil der Schweiz als Internetadresse verwendet werden. Der Experte Thomas Legler spricht den Domainnamen comparez.ch Comparis zu.

Damit folgt er den Anträgen der Gesuchstellerin Comparis. Diese hatte sowohl vorgebracht, der Domainname sei verwechselbar mit ihrer Wortmarke COMPARIS, als auch Rechte aus UWG. Die Marke wurde 1999 ins Markenregister eingetragen, während der Domainname erst im Jahr 2007 registriert wurde. Zwar sind Marke und Domainname nicht identisch, jedoch wird der Domainname für gleichartige Dienstleistungen verwendet. Insofern bestehe die Verwechslungsgefahr und der Experte verfügt die Übertragung des Domainnamens an Comparis, ohne auf den ebenfalls geltend gemachten UWG-Tatbestand einzugehen.

Ich empfinde die rasche Bejahung der Verwechselbarkeit als fragwürdig. Vor allem auch aufgrund des Arguments, dass beide Wörter von Leuten, die kein Französisch beherrschen, gleich oder fast gleich ausgesprochen würden. Denn solche sprachfremden Leute sind meiner Meinung nach nicht zu berücksichtigen. Ansonsten könnte und müsste dies in jedem WIPO-Verfahren zum Thema werden – mit abstrusen Folgen. Vielmehr hätte darauf hingewiesen werden müssen, dass sich die Marke (COMPARIS) kaum vom Verb (comparer) unterscheidet, das zum Allgemeingut gehört und nicht monopolisiert werden kann. Daher müsste der Marke nur geringer Schutz zukommen, der nicht ausreicht, sich den Imperativ gerichtlich einzuverleiben.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2010-0031, Entscheid vom 6. März 2011

BettyBossi.com bleibt thailändisch

Der BettyBossi-Verlag hat das WIPO-Verfahren um den Domainnamen bettybossi.com verloren. Es gelang der renommierten Anwaltskanzlei Meyer Lustenberger nicht, die Bösgläubigkeit des Beklagten in der Registrierung und im Gebrauch des Domainnamens zu belegen.

Die thailändische Firma bietet unter dem Namen BettyBossi Personalberatungs- und -vermittlungsdienste im asiatischen Raum an. Gemäss den eigenen Angaben wurde die Firma in den Anfangsjahren von einer Betty geführt, während Bossi als Akronym für „Be Unique, Open Minded, Sincere, Service Minded and Initiative“ steht. Die thailändische Firma wurde vor 18 Jahren gegründet und verfügt über einen thailändischen Markeneintrag für Betty Bossi und BettyBossi.com aus dem Jahr 2000. Der Domainname wurde am 24. September 1999 registriert. Damit verfügt die Beklagte auch über eigene Rechte am bestrittenen Domainnamen.

Diesen Argumenten folgt der alleinige Experte, Sir Ian Barker. Da die Schweizer Marke BettyBossi eigentlich nur in der Schweiz und im grenznahen Ausland bekannt sei, obwohl dabei auch sehr bekannt, sei es unwahrscheinlich, dass die Beklagte bei der Firmengründung in Thailand davon wusste. Sowieso bieten die beiden Firmen unterschiedliche Produkte und Dienstleistungen an unterschiedliche Zielgruppen in unterschiedlichen Regionen an.

Schelte für den BettyBossi-Verlag gab es bezüglich der Tatsache, dass elf Jahre mit der (schieds-)gerichtlichen Klage gewartet wurde. Zwar prüft das Schiedsgericht zurecht nicht die Frage der Verjährung oder Verwirkung von Ansprüchen. Es betonte aber, dass der Beweis der böswilligen Registrierung und des böswilligen Gebrauchs schwieriger werde, je mehr Zeit seit der Registrierung des Domainnamens vergangen sei.

Das Argument der Beklagten, der Domainname sei vor der Einrichtung des Schiedsverfahrens registriert worden, womit dieses gar nicht angewendet werden dürfe, wird leider offen gelassen.

Trotz des klaren Urteils bleibt der Experte ein bisschen skeptisch: Einer der Firmengründer habe Schweizer Wurzeln und die Firma heisst SinoSwiss. Dies könne tatsächlich ein Anzeichen für Bösgläubigkeit sein und die Begründung der Domainnamenwahl der Beklagten in Frage stellen. Der Experte erwähnt daher explizit, dass das vorliegende Urteil für ein allfälliges staatliches Gerichtsverfahren auf keinen Fall präjudiziell wirke.

WIPO-Verfahren Nr. D2010-2264, Entscheid vom 22. Februar 2011