Am 27. Februar 2013 hat der Bundesrat seine Strategie zum Umgang mit Domainnamen verabschiedet. Einerseits beabsichtigt der Bund, gewisse staatliche Bezeichnungen und die Namen von Bundesräten für sich zu reservieren. Andererseits sollen die gesetzlichen Grundlagen für die Bewerbung und spätere Verwaltung der neuen gTLD .swiss geschaffen werden mit dem Ziel, den Zugang zu Domainnamen in ausreichendem Mass zu sichern (betreffend .swiss verweise ich auf den separaten Blogbeitrag).
Staatliche Bezeichnungen und Bundesratsnamen reservieren
Der Bund will eine zentrale Liste mit schützenswerten Bezeichnungen definieren, die er nach Möglichkeit als .ch-Domainnamen reserviert. Diese Liste wird nach Bedarf abgeändert und aktualisiert. Die schützenswerten Bezeichnungen fallen insbesondere in folgende Kategorien:
- Bezeichnungen für das Staatswesen
- Bezeichnungen für die bundesstaatlichen Institutionen
- Namen von Bundesrätinnen und Bundesräten, Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzlern
- Bezeichnungen von offiziellen Gebäuden
Für den Fall, dass Dritte diese Bezeichnungen bereits für sich reserviert haben, strengt die Eidgenossenschaft eine Übertragung nur dann an (über einen Streitbeilegungsdienst, eine Klage, oder eine eventuelle aussergerichtliche Einigung), wenn ihrem Ansehen andernfalls erheblicher Schaden zugefügt werden könnte.
Bereits belegte Domainnamen
Ich habe bei der Bundeskanzlei diese Liste angefordert, sie bisher aber noch nicht erhalten. (Nachtrag: Ich habe die Liste am 28. Februar 2013 erhalten, siehe diesen Blogbeitrag) Trotzdem bin ich davon überzeugt: Alle Bezeichnungen sind bereits belegt. Hier kommt der Bundesrat rund 10-15 Jahre zu spät. Damit stellt sich die Frage, in welchen Fällen dem Ansehen der Schweiz erheblicher Schaden zugefügt werden könnte.
Muss auf der Webseite unter dieser Bezeichnung erreichbare Webseite strafrechtlich relevanter Inhalt aufgeschaltet sein? Reichen Schweiz-feindliche Inhalte, die aber durch die Meinungsäusserungsfreiheit gedeckt sind? Ist der Tatbestand erfüllt, wenn die Internetadresse einem Ausländer gehört? Und nicht erfüllt, wenn auf der Webseite zu lesen ist, dass es sich hier nicht um eine Webseite des Bundes handelt? Bei einem inaktiven Domainnamen ist das Risiko höher als bei einer aktiven Webseite, dass hier zukünftig negativer Inhalt zu sehen ist. Aber auch hier ist dies nicht auszuschliessen – theoretisch ist es in sämtlichen Fällen möglich, dem Ansehen der Schweiz schadenden Inhalt online zu schalten. Da jedoch ein erheblicher möglicher Schaden vorausgesetzt wird, liegt es am Bund, diesen Nachweis zu erbringen. Das wird ihm höchstens in Fällen von offensichtlichem Missbrauch möglich sein – schon nur deshalb, weil sich die bestehenden Internetadressen des Bundes, z.B. mit dem Zusatz .admin.ch für jede Verwaltungseinheit oder www.bger.ch für das Bundesgericht, eingebürgert haben.
Und was ist in den Fällen, in denen der momentane Halter eigene Kennzeichenrechte am Domainnamen geltend machen kann, z.B. der Inhaber einer gleich lautenden Marke oder ein Namensvetter eines Bundesrats.
Konkrete Fälle?
Bezeichnungen für das Staatswesen: Der Bund hatte im Jahr 2006 die von einer Privatperson registrierten Domainnamen schweiz.ch, suisse.ch und svizzera.ch erstritten. eidgenossenschaft.ch gehört bereits der Bundeskanzlei, bund.ch jedoch Tamedia (Zeitung „Der Bund“). Tatsächlich wurde schweizerische-eidgenossenschaft.ch aber von einem St. Galler Unternehmen registriert. Dies wäre ein möglicher Fall.
Bezeichnungen für die bundesstaatlichen Institutionen: Interessanterweise hat zurzeit kein einziges Bundesamt seinen vollen Namen als Domainname registriert („bundesamt… .ch“). Die Domainnamen bundesamt.ch und ständerat.ch gehören einer Privatperson und sind weiterere mögliche Kandidaten. Das bundesamt-fuer-bekleidung.ch hingegen scheint harmlos – dass es kein solches Bundesamt gibt, ist vermutlich allgemein bekannt. Eher für Verwechslungen könnten die Abkürzungen von Bundesämtern und Departementen sorgen, die bisher nur als Third Level Domain unter admin.ch existieren. Tatsächlich gehören mir selbst zwei solche Domainnamen, die als Beispiele hinhalten müssen: rhf.ch (www.rhf.admin.ch: Internationale Rechtshilfe) und evd.ch (www.evd.admin.ch: das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement). Und was ist mit Bundesämtern mit nur zweibuchstabigem Kürzel wie die Bundeskanzlei (BK)? Bisher müssen Domainnamen – mit Ausnahme der Kantone und der nicht mehr registrierten Expo.01 (01.ch) – eine Mindestlänge von drei Zeichen aufweisen. Wird diese Regel wie in Deutschland aufgehoben, um Domainnamen wie bk.ch zu ermöglichen?
Namen von Bundesrätinnen und Bundesräten, Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzlern: Bereits angesprochen wurden die Namensvettern von Bundesräten. So liefert das Telefonbuch 44 Einträge für Samuel Schmid. Dass hier der eine dem andern vorgehen soll, ist rechtlich nicht vertretbar. samuelschmid.ch gehört übrigens dem Alt-Bundesrat, während samuel-schmid.ch einem Theologen und Aargauer Regierungsrat gehört. Dass dieser seine Webseite zugunsten des Alt-Bundesrats aufgeben soll, ist kaum vorstellbar. Und sind hier nur die kompletten Namen geschützt wie z.B. evelinewidmerschlumpf.ch (gehört nicht der Bundesrätin), oder auch Teile davon, z.B. eveline.ch, widmer.ch oder schlumpf.ch? Das wäre dann endlich ein guter Grund, selbst Bundesrat zu werden: Ich möchte schon lange gerne schneider.ch besitzen, der einer Softwarefirma gehört. Dieser Punkt ist am wenigsten durchdacht. Dass haufenweise zukünftige Bundesräte ehrbaren Privatpersonen ihre Domainnamen wegnehmen dürfen, kann nicht sein. Und was ist beim Rücktritt des Bundesrats? Muss dieser den erwzungenen Domainnamen dann zurückgeben? Ausserdem zielt es weit an der Wirklichkeit vorbei: Schliesslich hat heute jeder Politiker (wie auch viele andere Privatpersonen) seine eigene Webseite inkl. Domainname, zur Unterstützung seines Wahlkampfs oder um im Kontakt mit seinen Wählern zu bleiben, und bedarf keines solchen Schutzes.
Bezeichnungen von offiziellen Gebäuden: bundeshaus.ch ist durch ein Unternehmen besetzt, ebenso mon-repos.ch, der Standort des Bundesgerichts. bundesplatz.ch hält eine Privatperson. Immerhin gehören die Nationalbank und die Bundesgerichte sich (als Domainnamen) selbst.
Weitere Top Level Domains
Der Bund möchte sich jedoch nicht nur auf .ch-Domainnamen beschränken. Er sieht vor, diese Bezeichnungen auch unter weiteren Top Level Domains (TLD) zu registrieren, und zwar „primär in generischen Top Level Domains, die einen nicht-kommerziellen Charakter haben“, also beispielsweise .info oder .org. Eine Registrierung in anderen Registern erfolgt gemäss dem Strategiepapier dann, wenn die Registrierung für den Bund einen Mehrwert bietet. So in Länder-TLD (sog. Country Code TLD oder ccTLD), die aber als generische TLD verwendet werden wie .tv. Keine Registrierung soll unter den ccTLD anderer Länder erfolgen.
Zusammenfassung
Das Strategiepapier kommt viel zu spät und ist realitätsfremd: Der allergrösste Teil der Domainnamen gehören entweder bereits dem Bund oder ansonsten Privatpersonen und Unternehmen, von denen viele eigene Ansprüche geltend machen können. Da sie nur eingefordert werden sollen, wenn sie dem Ansehen der Schweiz erheblich schaden, was vom Bund nachzuweisen ist, wird dies kaum je der Fall sein.
Weiterführende Informationen:
Verfasst in der Kategorie: Recht, Sonstiges von Thomas Schneider am 27. Februar 2013
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