ameropa-ag.ch: Rohstoffhändler vom Firmenrecht gerettet

Die Gesuchstellerin Ameropa AG aus Binningen ist ein international tätiger Rohstoffhandelskonzern mit knapp 5’000 Mitarbeitern, der primär auf Düngemittel und Getreide spezialisiert ist, aber auch mit petrochemischen Produkten und Metallen handelt. Aus dem im Jahr 1948 gegründeten Unternehmen wurde 1994 eine Aktiengesellschaft.

Der Gesuchsgegner Eugene Maslyanitsin, eine Privatperson aus Kostroma in Russland, ist bisher nicht im Zusammenhang mit Domainnamen in Erscheinung getreten. Über ihn ist nichts bekannt.

Der Domainname ameropa-ag.ch wurde vermutlich im Jahr 2012 registriert, was vom Experten Philippe Gilliéron leider nicht erwähnt wird. Im parallelen Verfahren um ameropa-ag.com (D2013-0095) mit denselben Parteien wird erwähnt, dass dieser am 24. April 2012 registriert wurde. Beide vermutlich gleichzeitig registrierten Domainnamen führen zu einer Webseite, die der Ameropa-Webseite nachgebildet ist und die mutmassliche Medienberichte über das Unternehmen und seine Verwaltungsräte enthält.

ameropa-ag.ch

Der Gesuchsgegner hat keine Gesuchserwiderung eingereicht.

Erwägungen und Entscheid

Der Domainname ist mit der Firma der Gesuchstellerin identisch. Ausser dem Firmenrecht ist die Gesuchstellerin auch durch das Wettbewerbsrecht geschützt, nämlich nach Art. 3 Abs. 1 Bst. b und d UWG gegen die irreführenden Angaben sowie die Schaffung einer Verwechslungsgefahr. Eine mögliche eigene Berechtigung des Gesuchsgegners am Domainnamen ist nicht ersichtlich. Der Experte beschliesst damit die Übertragung des Domainnamens auf die Gesuchstellerin. Im separaten Verfahren wurde ihr auch der .com-Domainname zugesprochen.

Bemerkungen

Das Fehlen einer Marke stellt im Verfahren um den .com-Domainnamen ein grösseres Problem dar als beim Schweizer Domainnamen. Denn während hierzulande jegliche Immaterialgüterrechte geltend gemacht werden können, konzentriert sich das Verfahren um .com-Domainnamen auf Markenrechte. Jedoch geniessen im angelsächsischen Raum auch unregistrierte Warenmarken (mit ™ gekennzeichnet) einen gewissen Rechtsschutz, wobei der Gesuchsteller nachweisen muss, dass das Zeichen klar unterscheidungsfähig ist und mit ihm oder seinem Produkt asoziiert wird.

Die Gesuchstellerin scheint in Sachen Domainnamen wenig gelernt zu haben. Sie lässt die Bezeichnung „ameropa-ag“ unter weiteren, gängigen Domainnamenendungen unregistriert, ebenso die Variante ohne Bindestrich. Damit riskiert sie weitere Verfahren.

Etwas hat sie aus dem Verfahren aber gelernt: Sie hat am 24. Januar 2013 nämlich eine Schweizer Wortmarke „Ameropa“ hinterlegt, die sich zurzeit im Anmeldungsverfahren befindet.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2013-0001, Entscheid vom 4. März 2013 (sowie WIPO-Verfahren Nr. D2013-0095, Entscheid vom 27. Februar 2013).

Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/ameropa-ag.ch

gkb24.ch und weitere: Expertin gibt Graubündner Kantonalbank vorschnell recht

Die Gesuchstellerin, die Graubündner Kantonalbank aus Chur, bietet Bankdienstleistungen an und ist auch im Immobilienbereich tätig. Sie ist als „Graubündner Kantonalbank“ (ohne die Abkürzung GKB) im Handelsregister eingetragen. Sie verfügt über keine Marke, welche die Abkürzung GKB enthält, hat jedoch am 8. Oktober 2012 eine solche beantragt. Sie ist unter www.gkb.ch sowie – wie für Kantonalbanken üblicher – unter www.grkb.ch (mit zweibuchstabiger Kantonsabkürzung, da sich viele Kantone die selben Anfangsbuchstaben teilen) im Internet zu finden.

Der Gesuchsgegner, Rainer Wolfgang Hoffmann und seine Bündner Medien GmbH aus Chur, bieten Informationen zu Geld, Kredit und Börse im Internet an. Sie haben sich zur Aufgabe gemacht, eine Gegenstimme zu Mainstream-Medien zu erheben und in ihrem Online-Portal Geld-Kredit-Börse (GKB) über Themen, die das Weltfinanzsystem betreffen, zu berichten.

Die Domainnamen gkb-blog.ch, gkbblog.ch, gkb-chur.ch, gkb-immobilien.ch, gkbimmobilien.ch, gkb-immo.ch, gkbimmo.ch, gkb-online.ch, gkbonline.ch und gkb24.ch wurden grösstenteils im Juli und August 2010 registriert, ein Teil im März 2012. Unter allen Internetadressen sind Webseiten aufgeschaltet.

gkb-online.ch

Der  zuerst eingesetzte Experte Tobias Zuberbühler hatte eine Schlichtungsverhandlung durchgeführt, die jedoch zu keinem Vergleich geführt hat. Anfang Januar 2013 wurde Theda König Horowitz als neue Expertin eingesetzt, was aus dem Entscheid jedoch nicht direkt hervorgeht und auch häufig von „der Experte“ die Rede ist. Ab dem 9. Januar 2013 wurde sie als Expertin geführt.

Erwägungen und Entscheid

Die Gesuchstellerin stützt ihren Antrag auf Namensrecht sowie das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Sie ist der Ansicht, dass sie ein Namens- und Kennzeichenrecht an der Bezeichnung GKB hat, obwohl diese Abkürzung weder in ihrem Unternehmensnamen enthalten noch als Marke registriert ist, da sie regelmässig GKB genannt werde und diese Abkürzung im geschäftlichen Verkehr verwende. Selbst dem Gesuchsgegner sei diese Abkürzung bekannt; er hat sie auf einer seiner Webseiten verwendet und damit die Gesuchstellerin gemeint. Die Domainnamen schaffen eine Verwechslungsgefahr, da es bei beiden um Finanz- und Immobiliendienstleistungen in derselben Region geht.

Der Gesuchsgegner bestreitet das Namensrecht der Gesuchstellerin an der Bezeichnung GKB sowie die Behauptung, das Zeichen werde in der ganzen Schweiz mit der Graubündner Kantonalbank asoziiert. Er führt weiter aus, dass diese Abkürzung auch in anderen Fällen von Dritten benutzt wird und die Graubündner Kantonalbank kein Monopol an den drei Buchstaben beanspruchen könne. Und selbst wenn ein Namensrecht anerkannt werde, würden die Domainnamen die Rechte der Gesuchstellerin nicht beeinträchtigen, auch nicht in unlauterer Weise. Der Gesuchsgegner bzw. sein Anwalt versäumt es aber, abgesehen vom Verweis auf den Grundsatz „First come, first served“, die eigene Berechtigung bzw. Ansprüche an den Domainnamen zu untermauern.

Die Expertin zitiert aus dem Entscheid des Bundesgerichts vom 12. Januar 2006, 4C.360/2005, dass juristische personen oft ihren Namen in Form einer Kurzbezeichnung benutzen und unter dieser Kurzbezeichnung im Publikum bekannt sind. Auch solche Kurzbezeichnungen können dem Namensschutz unterstehen, sofern solche Wortzeichen im Verkehr als Namen aufgefasst werden. Die Gesuchstellerin führt diese Abkürzung seit über zehn Jahren auf ihrer Webseite. Es sei ausserdem notorisch [unklar, ob für die Gesuchstellerin oder die Expertin], dass Kantonalbanken unter einer solchen Abkürzung tätig sind. Die Expertin lässt sich von den eingereichten Unterlagen überzeugen, dass die Gesuchstellerin zumindest im deutschsprachigen Raum der Schweiz unter der Bezeichnung GKB einen gewissen Bekanntheitsgrad geniesst, und spricht ihr Namensrechte an der Abkürzung zu.

Die Expertin sieht auch eine Verwechslungsgefahr. Gerade wenn zwei Unternehmen ihren Sitz am selben Ort haben, miteinander im Wettbewerb stehen oder sich an die gleichen Kreise richten, sind an die Unterscheidbarkeit besonders hohe Anforderungen zu stellen. Bei Domainnamen genüge „die Gefahr, dass Personen, welche die Homepage des berechtigten Namensträgers besuchen wollen, ungewollt auf eine andere Internetseite geraten“. Da die Domainnamen mit der geschützten Bezeichnung beginnen und als Zusatz den Firmensitz der Gesuchstellerin Chur und die Kurzform einer ihrer Tätigkeitsbereiche Immobilien verwende, sei das Risiko einer Verwechslung gross. Die Gesuchstellerin hat seit über zehn Jahren eine Webseite, was ihr gemäss der Expertin auch eine Berechtigung am Zusatz „-blog“ und „-online“ verleiht. Ausserdem bestehe das „Risiko, dass Personen, die im Internet nach ‚GKB‘ suchen, um die Gesuchstellerin zu finden, zufällig auf einen der Domainnamen des Gesuchsgegners stosse und auf dessen Webseite gerate.

Zum Schluss hält die Expertin fest, dass dass der Gesuchsgegner keinerlei Kennzeichenrechte an der Bezeichnung GKB hat. Es handle sich dabei ja „nur“ um eine Abkürzung des Titels Geld-Kredit-Börse ihrer Webseite und es lägen keine Hinweise vor, ob und wie oft diese Webseite besucht wurde, ob dafür Werbung gemacht wurde und ob darüber in Zeitungen oder sonstigen Medien berichtet wurde.

Basierend auf ihren Namensrechten beschliesst die Expertin die Übertragung der Domainnamen auf die Gesuchstellerin.

Bemerkungen

Dieser Entscheid mag zwar im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden sein. Wohl aber kann ich mich den Argumenten der Expertin aus den folgenden Gründen nicht anschliessen:

  • Kantonalbanken sind – wie erwähnt – mehrheitlich mit einer vierbuchstabigen Abkürzung im Internet zu finden, da sich jeweils mehrere Kantone denselben Anfangsbuchstaben teilen. Darauf ist die Expertin mit keinem Wort eingegangen, sondern hat basierend auf drei Beispielen von dreibuchstabigen Abkürzungen geschlossen, dass dies allgemein bekannt sei. Meine Recherche hat ergeben, dass 50% aller Kantonalbanken (12 von 24) eine vierbuchstabige Abkürzung verwenden und nur 37,5% (9 von 24) eine dreibuchstabige Abkürzung benützen, wobei sich ausnahmslos auch unter der erwarteten vierbuchstabigen Internetadresse zu finden sind. 12,5% (3 von 24) aller Kantonalbanken haben sich für eine andere Lösung entschieden.
  • Die Expertin verweist auf Ausführungen in einem Bundesgerichtsurteil. Bei diesem war die Abkürzung jedoch ein klarer Bestandteil der Namen beider Parteien. Dort hatte sich der „Bund Schweizer Architekten – BSA“ gegen die „BSA Business Software Alliance Inc.“ aus Amerika durchgesetzt, obwohl auch dieser über keinerlei Markenrechte verfügte. Was umso unverständlicher ist, als die Abkürzung des Berufsverbands eine Art Gütesiegel („Architekt BSA“) darstellt und ihre Verwendung damit nicht geschützt ist. Jedenfalls sind die in diesem Urteil genannten Gründe mit Vorsicht zu geniessen.
  • Zumindest im deutschsprachigen Raum der Schweiz geniesse die Gesuchstellerin unter der Bezeichnung „GKB“ einen gewissen Bekanntheitsgrad, meint die Expertin. Dem ist zu widersprechen. Während die Institution der Kantonalbank in fast allen Kantonen bekannt ist (im Kanton Solothurn gibt es sie nicht mehr), sind die Schweizer kaum mit Kantonalbanken ausserhalb des eigenen Kantons vertraut. Insofern müsste sich der Schutzbereich der Gesuchstellerin auf den Kanton Graubünden beschränken. Dies auch, weil sich der örtliche Schutzbereich von (Unternehmens-) Namen auf den örtlichen Bereich des tatsächlichen Namensgebrauchs beschränkt. Das hätte unserem Gesuchsgegner aber nur genützt, wenn dessen Firmensitz ausserhalb des Kantons Graubünden gelegen wäre.
  • Die Kennzeichenrechte sind nicht dafür da, Schutz ohne Registrierung zu bieten. Wer es versäumt, eine Bezeichnung oder eine Buchstabenfolge als Firma, Marke oder sonstiges Kennzeichen zu schützen, soll eigentlich nicht mittels eines Hintertürchens doch noch Schutz erhalten. Denn wegen der Rechtssicherheit gilt das Eintragungsprinzip: Wer eine neue Marke oder Firma eintragen will, muss schliesslich die Möglichkeit haben, zu überprüfen, ob es bereits ein identisches oder ähnliches Kennzeichen gibt. Zwar bleiben nicht registrierte Zeichen nicht schutzlos. Trotzdem sind hohe Anforderungen an dessen Nachweis zu stellen, was im vorliegenden Verfahren meiner Meinung nach zu kurz kam.
    Klammerbemerkung: Eine ähnliche Diskussion zu Abkürzungen war vor kurzem im Rahmen des Namenswechsel des Schweizer Fernsehens im Gange. Die Swiss Retail Federation gab an, unter dem Kürzel „SRF“ bekannt zu sein und auch das Schweizer Fernsehen habe mit bei einem Bericht über sie diese Abkürzung verwendet. Aber auch sie hatte die Buchstabenfolge weder als Marke geschützt noch war sie Teil ihres Namens, womit das Schweizer Fernsehen dieselbe Abkürzung rechtlich ungehindert verwenden konnte.
  • Die Buchstabenfolge GKB steht tatsächlich noch für weitere Unternehmen und Institutionen im In- und Ausland, z.B. die GKB Gewerkschaften Bern, die GKB Holding SA in Lugano, die GKB Planung GmH in Flawil oder die GKB Services AG in Aarau. Wäre eine dieser Firmen im Bank- oder Immobilienbereich tätig, hätte die Gesuchstellerin möglicherweise ein Problem.
  • Das Risiko, bei der Internetsuche nach GKB auf den Gesuchsgegner zu treffen, ist gering. Zu gross ist die Internetpräsenz der Gesuchstellerin und ihr Auftritt im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen. Recht früh werden jedoch die GKB Gewerkschaften Bern gefunden. Zieht die Gesuchstellerin auch hier rechtliche Schritte in Betracht? Wie der Gesuchsgegner korrekt ausgeführt hatte: Eine Buchstabenfolge zu monopolisieren ist nicht möglich, es sei denn als berühmte Marke, welche die Bevölkerung tatsächlich nur mit dem Inhaber und sonst niemandem in Verbindung bringt.
  • Dass eine seit zehn Jahren bestehende Webseite einen Anspruch auf Zusätze wie -blog oder -online verleihen soll, ist für mich vollkommen unverständlich. Ich merke mir dies aber gerne, um bei Gelegenheit eigene Ansprüche an fremden Domainnamen geltend zu machen. Schliesslich sind meine ersten Webseiten seit mittlerweile 15 Jahren online.
  • Noch mehr stört mich aber die Aussage, dass die Gesuchgegnerin keine Kennzeichenrechte an der Bezeichnung „GKB“ habe, da sich diese ja nur auf den Webseiten-Titel „Geld-Kredit-Börse – GKB“ beziehe und nicht auf ihren Namen oder eine Marke. Und dies kurz nachdem die Expertin der Gesuchstellerin Namensschutz an der Abkürzung gewährt, obwohl diese nicht Teil des Namens ist. Wenn schon nicht registrierte Kennzeichen geschützt werden sollen, dann aber nicht nur bei einer Partei. Hier hat es wie erwähnt der Anwalt des Gesuchsgegners versäumt, die eigene Berechtigung bzw. Ansprüche an den Domainnamen zu untermauern.

Bei registrierten Kennzeichen gilt die Eintragungspriorität. Kollidieren jedoch zwei nicht registrierte Zeichen von Unternehmen, die miteinander im Wettbewerb stehen und sich am selben Ort befinden, gilt die Gebrauchspriorität. Dass dies erfüllt ist, ist nicht abzustreiten. Damit ist der Graubündner Kantonalbank tatsächlich der Vorzug zu geben. Hätten sich die Webseiten mit einem Bank-fremden Thema befasst oder wäre der Gesuchsgegner nicht im Graubünden wohnhaft gewesen, hätte er sich in diesem Verfahren vermutlich erfolgreich wehren können.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2012-0026, Entscheid vom 28. Januar 2013.

Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/gkb24.ch

tcsreisen.ch: Ende der Reise für chinesischen Domain-Grabber

Der Gesuchsteller Touring Club Suisse (TCS) mit Sitz in Vernier in der Westschweiz ist mit knapp 1.6 Millionen Mitgliedern der grösste Verkehrsclub der Schweiz. Neben Pannenhilfe bietet der Verein Fahrzeug-, Reise- und Rechtsschutzversicherungen, Verkehrsinformationen, Beistand für Personen und Fahrzeuge in der Schweiz und im Ausland, betreibt Verkehrssicherheitszentren, zwei Hotels und 37 Campingplätze, organisiert Fahrschulkurse und einiges mehr. Der TCS verfügt über etliche Schweizer Marken und einen sehr hohen Bekanntheitsgrad in der Schweiz, auch bei Nichtmitgliedern. Die Abkürzung “TCS” ist ausserdem Bestandteil des Vereinsnamens.

Der Gesuchsgegner Shandong Trading Ltd. aus Jinan in China ist kein Neuling in WIPO-Verfahren: Er war bereits Gesuchsgegner von Comparis (combaris.ch). Ansonsten ist über das Unternehmen nichts herauszufinden. Shandong ist der Name einer chinesischen Provinz, die mit knapp 100 Millionen Einwohnern die zweitgrösste Chinas ist, Jinan ihre Hauptstadt.

Der Domainname tcsreisen.ch wurde am 5. Juli 2012 registriert und führt zu einer Parking-Webseite mit Ferien- und Reiselinks.

tcsreisen.ch

Wie auch beim früheren WIPO-Verfahren reicht der Gesuchsgegner keine Gesuchserwiderung ein. Er wendet sich jedoch per E-Mail vom 13. Dezember 2012 an die WIPO und bietet dem Gesuchsteller den Kauf des Domainnamens für USD 600 an. Dieser lehnt den Kauf ab. Er würde den Domainnamen nicht von einer dritten Person, die seine Rechte verletzt, kaufen wollen.

Erwägungen und Entscheid

Der Experte Daniel Kraus fasst die Ausführungen des TCS weniger umfassend zusammen als dass dies sein Kollege bei den neulichen Entscheiden (z.B. zum fast identischen tcs-reisen.ch) getan hatte. Unbestritten sind die Namens- und Markenrechte des Gesuchstellers und ihre Verletzung durch die Domainnamenregistrierung, der hohe Bekannheitsgrad und die Verwechslungsgefahr für Besucher der Webseite. Der Experte beschliesst die Übertragung des Domainnamens, die aufgrund der Rechtsverletzung gerechtfertigt ist, zumal auch keine Verteidiungsgründe eingereicht wurden.

Bemerkungen

Dem Urteil ist beizupflichten. Es ist offensichtlich, dass der Gesuchsgegner den Domainnamen nur registriert hat, um mit den bezahlten Links auf der Parking-Webseite Geld zu verdienen. Interessant ist im vorliegenden Fall das Angebot des chinesischen Domain-Grabbers, der TCS könne den Domainamen für USD 600 kaufen. In Anbetracht der Gebühren für das WIPO-Verfahren erscheint dieses Angebot preisgünstig und hätte dem Gesuchsgegner nochmals zusätzliche Einnahmen in der vermuteten Höhe von 5-10 Jahreseinnahmen durch die Werbelinks beschert. Der TCS hat jedoch gut daran getan, dieses Angebot abzulehnen und auf den WIPO-Entscheid zu bestehen.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2012-0034, Entscheid vom 1. Februar 2013

Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/tcsreisen.ch

my-swiss-chocolate.ch und weitere: Schoggi-Krieg im Internet

Die Gesuchsteller mySwissChocolate AG und ihr Geschäftsführer Sven Beichler aus Wermatswil betreiben eine Internetplattform, auf der die Besucher Schokolade und Pralinés nach den eigenen Wünschen kreieren (Basis, Geschmacksrichtung, Zutaten) und bestellen können. Das Unternehmen ist seit dem 25. Oktober 2010 im Handelsregister eingetragen und verfügt seit dem 9. Februar 2010 über eine Wort-Bild-Marke mit dem Logo und Schriftzug von mySwissChocolate.ch, gegen die allerdings ein Widerspruch vor Bundesverwaltungsgericht hängig ist: Camille Bloch hatte den Widerruf der Marke verlangt, was vom Institut für Geistiges Eigentum abgelehnt wurde. Das hat aber nichts damit zu tun, dass die Gesuchsteller das Kreuz in ihrem Logo unerlaubterweise in weiss auf rotem Grund wiedergeben.

Die Gesuchsgegnerin chocri GmbH aus Berlin betreibt eine beinahe identische Internetplattform für individuelle Schokolade und Pralinen. Sie behauptet, Ihr Angebot habe als Erstes bestanden und die Gesuchsteller würden sie imitieren. Zwar scheint sie tatsächlich schon länger im Schokoladengeschäft tätig zu sein, aber die Idee, Kunden ein Produkt selbst zusammenstellen zu lassen, haben weder die eine noch die andere Partei erfunden. Ausserdem ist dieser Punkt für das vorliegende Verfahren nicht von Bedeutung. Jedenfalls hat die Gesuchsgegnerin mit verschiedenen Methoden systematisch versucht, den Geschäftsgang der Gesuchsteller zu behindern. So hat sie zuerst (vergeblich) versucht, myswisschocolate als deutsche Marke eintragen zu lassen. Dann hat sie die Domainnamen myswisschoclate.com, my-swiss-chocolate.com, myswisschoclate.de und my-swiss-chocolate.de registriert und auf ihre eigene Webseite umgeleitet. Schliesslich hat sie auch die Namen von Unternehmen, die von den Gesuchstellern übernommen wurden, als Schweizer Internetadressen registriert. Zwischenzeitlich wurden die Domainnamen auf inaktiv gesetzt und/oder eine vordergründig harmlose Webseite – ein Blog über Schweizer Schokolade – aufgeschaltet.

Die Domainnamen myswisschoclate.ch und my-swiss-chocolate.ch wurden am 9. November 2010 registriert, also nach der Eintragung der Marke und des Unternehmens der Gesuchsteller.

myswisschoclate.ch bzw. my-swiss-chocolate.ch

In einem separaten WIPO-Verfahren hatte der Gesuchsteller Sven Beichler von der Gesuchsgegnerin die Übertragung des Domainnamens myswisschoclate.com verlangt, den diese einen Tag vor den Schweizer Domainnamen des vorliegenden Verfahrens registriert hatte. Obwohl die Gesuchsgegnerin hier keine Antwort eingereicht und nicht mitgewirkt hatte, hatte der holländische Experte das Gesuch schlussendlich abgelehnt. Er kam zum Schluss, Sven Beichler hätte ihm wichtige Informationen vorenthalten. Daneben habe er nicht ausreichend dargelegt, wieso bei der Bildmarke 1) die Bildelemente zu vernachlässigen seien, 2) my swiss chocolate .ch der dominante Bestandteil sei und 3) dabei das „.ch“ ebenfalls zu ignorieren sei. Ausserdem sei der Onlineshop der Gesuchsgegnerin mindestens zwei Jahre länger aufgeschaltet als derjenige der Gesuchsteller – als ob dies rechtfertigen würde, die Markenrechte eines anderen zu verletzen und sich unlauter zu verhalten.

In einem früheren WIPO-Verfahren hatte Sven Beichler die Übertragung des Domainnamens myswisschocolate.com von einer Koreanerin verlangt und war damit erfolgreich, obwohl die damalige Halterin beteuert hatte, bereits über einen Geschäftsplan zum Vertrieb von Schweizer Schokolade zu verfügen. Ihre Forderung, das Verfahren sei in Koreanisch durchzuführen, da dies die Vertragssprache sei und sie nur schlechte Englischkenntnisse habe, wurde vom Experten aus Kosten- und Effizienzgründen abgelehnt – einem Amerikaner koreanischer Herkunft.

Erwägungen und Entscheid

Die Gesuchsteller machen die Verletzung ihres Markenrechts, ihres Namensrecht und des Wettbewerbsrechts geltend.

Die Gesuchsgegnerin verweist auf den WIPO-Entscheid zu myswisschoclate.com, in dem die WIPO festgestellt habe, dass eine Bildmarke nicht ausreiche, um die Domainnamen übertragen zu lassen. Daran habe sich nichts geändert. Ausserdem habe sie weder Zeit noch Lust, sich im Verfahren weiter zu äussern. Ihr Verhalten sei ausserdem nicht bösgläubig, da sie als weltweit erste Firma individualisierte Schokolade im Internet verkauft habe und die Gesuchsteller ihre Idee nachahmen.

Der Experte Daniel Kraus hält zunächst fest, dass die Gesuchsteller über eine Schweizer Marke verfügen. Bei kombinierten Word-Bild-Marken muss immer von Fall zu Fall entschieden werden, ob der Wort- oder der Bildbestandteil dominierend oder ausschlaggebend ist. Der Gesamteindruck ist massgebend. Vorliegend sei der Schriftzug dominant, gerade auch „im mündlichen Geschäftsverkehr“. Trotzdem ist der Wortbestandteil rein beschreibend und nicht freihaltebedürftig, womit die Registrierung und Verwendung der Domainnamen durch die Gesuchsgegnerin keine Markenverletzung darstellen. Der Experte kann nicht beurteilen, ob sich das Kennzeichen im Verkehr durchgesetzt hat und deshalb nachträglich Kennzeichenkraft erlangt hat.

Aber: Die Gesuchstellerinnen verfügen über auch über ein Namensrecht an ihrem Unternehmensnamen. Hier besteht eine klare Verwechslungsgefahr zwischen den Domainnamen und der Firma. Im Gegensatz dazu verfügt die Gesuchsgegnerin über keine (bessere) Berechtigung an den Domainnamen.

Daneben ist das Vorgehen der Gesuchsgegnerin unlauter. Ihr war schon vor der Registrierung der Domainnamen bekannt, dass in der Schweiz ein Unternehmen unter diesem Namen Schokolade anbietet. Sie hatte die Domainnamen gezielt registriert und genutzt, um ungerechtfertigte Vorteile zu erreichen.

Schliesslich hält der Experte fest, dass die Gesuchsgegnerin nicht belegt hat, dass sie in der Schweiz produzierte Schokolade anbietet oder anbieten kann. Daraus resultiert eine weitere Verwechslungsgefahr betreffend die Herkunft der Produkte.

Zusammenfassend gibt der Experte dem Gesuch statt und beschliesst die Übertragung der Domainnamen auf der Basis des Namens- und Lauterkeitsrechts.

Bemerkungen

Tatsächlich handelt es sich bei der Marke der Gesuchsteller um eine schwache Marke, die sich aus beschreibenden Elementen und Sachbegriffen des allgemeinen Sprachgebrauchs zusammensetzt. Genau deswegen verfügen die Gesuchsteller auch nicht über eine reine Wortmarke: Das Institut für Geistiges Eigentum hätte eine solche schlicht abgelehnt und nicht eingetragen – oder zumindest nicht für Waren- und Dienstleistungsklassen rund um Schokolade. Daher mussten die Gesuchsteller grafische Elemente hinzufügen, um ein genügend individuelles Zeichen zu erreichen.

Das Konzept, die Kunden ein Produkt nach ihren Wünschen zusammenstellen zu lassen, ist nicht neu. Weder die Gesuchsteller noch die Gesuchsgegnerin hat dieses erfunden. Am meisten Werbung wurde Mitte der 2000-er Jahre wohl für individuell zusammengestellte Frühstücksflocken bzw. Müesli gemacht. Dass gute Ideen und Produkte nachgeahmt oder teilweise sogar recht dreist kopiert werden, ist leider eine Tatsache. So kopiert die Migros beispielsweise regelmässig Markenprodukte inklusive deren Erscheinungsbild. Ob die Konkurrenz dabei eine rechtlich bedenkliche Ähnlichkeit erreicht, ist allenfalls durch ein staatliches Gericht zu beurteilen. Weder im einen noch im andern Fall ist es aber erlaubt, deswegen ein anderes Unternehmen mit solchen Mitteln in seinem wirtschaftlichen Fortkommen zu behindern.

Fraglich ist auch, ob die beiden Parteien tatsächlich in einem direkten Konkurrenzverhältnis zueinander stehen. Schweizer werden ihre Schokolade wohl kaum in Deutschland bestellen und umgekehrt, schon wegen den höheren Versandkosten. Gute Schokolade gibt es auf beiden Seiten der Grenze, und genügend Platz für zwei Schoggi-Anbieter eigentlich auch.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2012-0032, Entscheid vom 28. Januar 2013

Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/my-swiss-chocolate.ch

tcs-camping.ch: Ein möglicher Camping-Fan?

Der Gesuchsteller Touring Club Suisse (TCS) mit Sitz in Vernier in der Westschweiz ist mit knapp 1.6 Millionen Mitgliedern der grösste Verkehrsclub der Schweiz. Neben Pannenhilfe bietet der Verein Fahrzeug-, Reise- und Rechtsschutzversicherungen, Verkehrsinformationen, Beistand für Personen und Fahrzeuge in der Schweiz und im Ausland, betreibt Verkehrssicherheitszentren, zwei Hotels und 37 Campingplätze, organisiert Fahrschulkurse und einiges mehr. Der TCS verfügt über etliche Schweizer Marken und einen sehr hohen Bekanntheitsgrad in der Schweiz, auch bei Nichtmitgliedern. Die Abkürzung “TCS” ist ausserdem Bestandteil des Vereinsnamens.

Über der Gesuchsgegner Thomas Strobl aus Herford in Deutschland ist wegen seines Nichtmitwirkens am Verfahren und eines gleichnamigen Politikers, der die Suchresultate dominiert, nichts herauszufinden.

Der Domainname tcs-camping.ch wurde erst am 8. September 2012 registriert. Er führt zeitweise zu einer Parkier-Webseite von Sedo, zeitweise wird er (von Sedo?) auf wechselnde Webseiten umgeleitet, zum Beispiel auf diese auf dem Bildschirmfoto.

tcs-camping.ch

Der Gesuchsgegner nimmt nicht an der Schlichtungsverhandlung teil und reicht auch keine Stellungnahme ein.

Erwägungen und Entscheid

Wie bereits im vergleichbaren Verfahren um den Domainnamen tcs-reisen.ch erwähnt, sind die Namens- und Markenrechte des Gesuchstellers unbestritten. Der Bestandteil “camping” ist bloss beschreibend und schafft umso mehr eine Verwechslungsgefahr, als auch der TCS auf diesem Gebiet tätig ist. Daneben hat der TCS eine branchenübergreifende Studie zum Image und zur Reputation von Unternehmen in der Schweiz 2011 eines grossen Marktforschungsinstituts (rund 95% der Bevölkerung) eingereicht, die dem TCS eine feste Verankerung und einen sehr hohen Bekanntheitsgrad attestiert, ähnlich wie SBB, Rivella oder Novartis. Somit geniesst der TCS den bestmöglichen Schutz als berühmte Marke über alle Waren- und Dienstleistungsklassen hinweg, auch wenn keine Verwechslungsgefahr vorläge.

Der Experte Bernhard F. Meyer bejaht die Ausnützung des Rufs des Gesuchstellers durch den Gesuchsgegner und bemängelt zurecht die Gschäftspraxis des Domain-Parking. Aufgrund der klaren Verletzung der Namens- und Markenrechte gibt er dem Gesuch statt und beschliesst die Übertragung des Domainnamens auf den TCS.

Bemerkungen

Theoretisch wäre es denkbar, dass der Gesuchsgegner unter seinen Initialen T.C.S. (mit einem unbekannten zweiten Vornamen, der mit C beginnt) einen Campingplatz betreibt. Unklar bliebe, weshalb er dazu einen Schweizer Domainnamen und nicht einen deutschen Domainnamen registriert – tcs-camping.de und tcscamping.de sind nicht registriert (Stand: 12. Februar 2013). Im Internet und im deutschen Telefonbuch ist jedoch kein solcher Campingplatz in und um Herford, einem Vorort von Bielefeld, und unter der hinterlegten Postadresse auch keine Privatperson mit diesem Namen zu finden.

In Deutschland existieren zahlreiche Unternehmen und Organisationen mit der Abkürzung TCS im Namen, darunter mehrere Tennisclubs in Orten mit einem S und Tankreinigungsfirmen („Tank Cleaning Service“). Diese und auch der vermutete Campingplatz hätten eine eigene Berechtigung an der Abkürzung TCS gehabt, so dass im vorliegenden Verfahren im Falle einer Antwort und anderen Vorzeichen (Domainname nicht auf eine Parkier-Webseite eingerichtet) wohl anders entschieden worden wäre.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2012-0036, Entscheid vom 31. Januar 2013

Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/tcs-camping.ch

tcs-reisen.ch: Ukrainischer Typosquatter unterliegt erneut

Der Gesuchsteller Touring Club Suisse (TCS) mit Sitz in Vernier in der Westschweiz ist mit knapp 1.6 Millionen Mitgliedern der grösste Verkehrsclub der Schweiz. Neben Pannenhilfe bietet der Verein Fahrzeug-, Reise- und Rechtsschutzversicherungen, Verkehrsinformationen, Beistand für Personen und Fahrzeuge in der Schweiz und im Ausland, betreibt Verkehrssicherheitszentren, zwei Hotels und 37 Campingplätze, organisiert Fahrschulkurse und einiges mehr. Der TCS verfügt über etliche Schweizer Marken und einen sehr hohen Bekanntheitsgrad in der Schweiz, auch bei Nichtmitgliedern. Die Abkürzung „TCS“ ist ausserdem Bestandteil des Vereinsnamens.

Der Gesuchsgegner Cifagro enterprises aus Kiew in der Ukraine ist ein gewerbsmässiger Typosquatter, der die Namen bekannter Unternehmen und Organisation mit Zusätzen oder Schreibfehlern als Domainnamen registriert und mit Werbeeinblendungen auf diesen Seiten Geld verdient. Cifagro war bereits vier Mal Gesuchsgegner in WIPO-Verfahen um .ch-Domainnamen, Gesuchsteller war jeweils die comparis.ch AG.

Der Domainname tcs-reisen.ch wurde am 7. Mai 2010 registriert. Er führt zu einer Parkier-Webseite mit Werbelinks („sponsored links“) zu Ferien- und Reisedienstleistungen.

tcs-reisen.ch

Wie auch in den früheren Verfahren reicht der Gesuchsgegner keine Antwort ein und nimmt auch nicht an der Schlichtungsverhandlung teil.

Erwägungen und Entscheid

Die Namens- und Markenrechte des Gesuchstellers sind unbestritten. Der Bestandteil „reisen“ ist bloss beschreibend und schafft umso mehr eine Verwechslungsgefahr, als auch der TCS auf diesem Gebiet tätig ist. Daneben hat der TCS eine branchenübergreifende Studie zum Image und zur Reputation von Unternehmen in der Schweiz 2011 eines grossen Marktforschungsinstituts (rund 95% der Bevölkerung) eingereicht, die dem TCS eine feste Verankerung und einen sehr hohen Bekanntheitsgrad attestiert, ähnlich wie SBB, Rivella oder Novartis. Somit geniesst der TCS den bestmöglichen Schutz als berühmte Marke über alle Waren- und Dienstleistungsklassen hinweg, auch wenn keine Verwechslungsgefahr vorläge.

Der Experte Bernhard F. Meyer bejaht die Ausnützung des Rufs des Gesuchstellers durch den Gesuchsgegner, um „für sich selber ein Einkommen zu generieren“. Aufgrund der klaren Verletzung der Namens- und Markenrechte gibt er dem Gesuch statt und beschliesst die Übertragung des Domainnamens auf den TCS.

Bemerkungen

Es ist lobenswert, wie der TCS sogar eine Studie zum Bekanntheitsgrad eingereicht hat, um seinen Anspruch auf den Domainnamen bestmöglichst zu belegen. Sicherlich hätte er ihn auch so zugesprochen erhalten.

Trotzdem erscheint es immer bedenklicher, dass so klar Kennzeichenrecht verletzende Domainnamen so einfach registriert werden können und ihre Übertragung an die betroffenen Unternehmen und Organisationen dermassen umständlich ist. Es wäre wünschenswert, dafür einen einfacheren, kostengünstigeren Weg zu schaffen, der die Registrierung fremder Kennzeichen weniger attraktiv macht.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2012-0035, Entscheid vom 28. Januar 2013

Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/tcs-reisen.ch

omparis.ch: Ein weiterer klarer Fall von Typosquatting

Die Gesuchstellerin comparis.ch AG aus Zürich betreibt den gleichnamigen Online-Vergleichsdienst, mit dem sich die preisgünstigsten Krankenkassen- und Versicherungsprämien, das beste Handy-Abo für die eigenen Bedürfnisse und mehr finden lassen. Doch der hohe Bekanntheitsgrad hat seinen Preis: Comparis muss sich gegen zahlreiche Typosquattern wehren, die ähnliche Domainnamen mit kleinen Schreibfehlern registrieren, und ist damit die häufigste Gesuchstellerin bei WIPO-Verfahren um Schweizer Domainnamen.

Die Gesuchstellerin Cifagro enterprises aus Kiew in der Ukraine scheint mit haufenweise solcher Typosquatting-Domainnamen viel Geld zu machen. Sie besitzt mehrere hundert Internetadressen aus aller Welt, darunter auch einige aus der Schweiz wie immoscou24.ch, skipe.ch, sarch.ch, zalandro.ch, ebax.ch, jumpo.ch, locl.ch oder 0range.ch (mit einer Null anstelle des o). Nach den Verfahren um comparys.ch, compaaris.ch und wwwcomparis.ch ist sie schon zum vierten Mal Gesuchsgegnerin der comparis.ch AG.

Der Domainname omparis.ch wurde am 30. September 2010 registriert. Er führt zu einer typischen Typosquatter-Webseite mit bezahlten Links.

omparis.ch

Auch dieses Mal nimmt die Gesuchsgegnerin weder an einer Schlichtungsverhandlung teil noch reicht sie eine Antwort ein.

Erwägungen und Entscheid

Die Gesuchstellerin verfügt neben dem Firmennamen auch über mehrere Marken, von denen die älteste im Jahr 1999 hinterlegt wurde. Der Domainname weist eine hohe Verwechslungsgefahr auf. Dies sieht auch der Experte Tobias Zuberbühler so: Schriftbild und phonetischer Klang sind sich verwechselbar ähnlich, zumal auf der Webseite der Gesuchsgegnerin Links zu gleichartigen Dienstleistungen enthalten sind. Damit beschliesst der Experte die Übertragung des Domainnamens.

Bemerkungen

Aufgrund des klaren, wiederholten Falls von Typosquatting durch dieselbe Gesuchsgegnerin gibt es am Entscheid nichts auszusetzen.

Es ist schön, dass der Experte Tobias Zuberbühler dieses Mal das Registrierungsdatum des Domainnamens erfragt hat.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2012-0031 vom 3. Januar 2013

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pampsuisse.ch: Nachahmer im Gold-Business gestoppt

Die Gesuchstellerinnen Pamp SA aus dem Tessiner Dorf Castel San Pietro und die MKS (Switzerland) SA in Genf sind im Edelmetallgeschäft tätig. Sie stellen seit 35 Jahren Goldbarren, Münzen und Einzelteile für die Uhren- und Schmuckindustrie her. Der Firmenname PAMP steht für Produits Artistiques Metaux Precieux. Er ist seit der Firmengründung als Marken hinterlegt und auch die Internetadresse des Unternehmens (www.pamp.ch).

Der Gesuchsgegner ist gemäss dem SWITCH-Eintrag Pampsuisse Ltd., Walter Muelli, Zürich. Es existiert jedoch weder ein entsprechender Handelsregistereintrag noch ein Telefonbucheintrag unter der eingetragenen Adresse.

Der Domainname pampsuisse.ch wurde am 6. September 2012 registriert. Herr Muelli hat unter dieser Adresse eine separate Webseite (Bild) aufgebaut, auf der er ganze Teile der Pamp.ch-Webseite verwendet und allgemein vorgibt, die Firma Pamp zu sein, scheinbar um ein möglicherweise illegales Schneeball-System für den Vertrieb von Pamp-Gold aufzubauen. So gibt er zwar die korrekte Postadresse der Gesuchstellerin an, aber seine eigene E-Mail-Adresse für die Kontaktaufnahme.

pampsuisse.ch

Die Schreiben des Experten waren an der angegebenen Adresse nicht zustellbar, womit der Gesuchsgegner auch keine Antwort eingereicht hat.

Erwägungen und Entscheid

Die Sachlage ist klar. Der Gesuchsgegner bedient sich in böswilliger und unlauterer, wenn nicht sogar betrügerischer Art und Weise des Firmen- und Markennamens der Gesuchstellerinnen mit dem Ziel, ihre Kunden zu täuschen, indem er sich als die Gesuchstellerin Pamp SA ausgibt. Der Experte Philippe Gilliéron gibt daher richtigerweise dem Gesuch statt und beschliesst die Übertragung des Domainnamens.

Bemerkungen

Auf der nachgeahmten Pampsuisse.ch-Webseite war eine Facebook-Seite „Pamp Suisse“ mit über 1’000 Fans verlinkt. Diese scheint nicht mehr zu existieren, jedenfalls nicht mehr unter diesem Namen. Auch auf Twitter besteht ein Benutzerkonto „PampSuisseLtd“, bisher jedoch ohne Aktivität.

Die Gesuchstellerinnen hatten vor kurzem auch den Domainnamen pampsuisse.com mittels WIPO-Verfahren übertragen erhalten (Verfahrensnummer D2012-2122), der auf Khatchik Sahakian aus Glendale, California, USA, eingetragen war. Weiter existiert eine Webseite unter der malaysischen Internetadresse pampsuisse.my, ebenfalls mit einer Facebook-Seite mit jedoch nur gut 200 Fans.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2012-0028 vom 17. Dezember 2012

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tausche.ch: Deutscher Taschenhersteller unterliegt gegen Internetportal

Die Gesuchstellerin tausche oHG aus Berlin betreibt die Webseite tausche.de und bietet dort Taschen an. Das Logo mit dem als einzigen Buchstaben nicht ausgefüllten U lässt das Wortspiel Tasche ↔ Tausche erahnen. Tauschen lässt sich dank Reissverschluss der Deckel der Tasche, womit sie sich farblich, saisonal oder für unterschiedliche Gelegenheiten einfach und kostengünstig (ab 15 Euro für einen Taschendeckel) anpassen lässt. Die Gesuchstellerin verfügt über eine internationale Wort-Bild-Marke, die am 29. August 2007 beim Deutschen Patent- und Markenamt für Taschen eingetragen wurde.

Die Gesuchsgegnerin Crea Swiss AG aus Wil SG betreibt das Internetportal suche.ch, auf dem sie Werbeplätze zu verschiedenen Suchbegriffen verkauft (ab 100 Franken/Monat). Insgesamt 6’000 Domainnamen führen Internetnutzer, welche ihre Suchbegriffe als Internetadresse eingeben (z.B. www.schuhe.ch oder www.sprachschule.ch) zu jeweiligen Unterseiten des Portals.

Der Domainname tausche.ch wurde gemäss den Angaben der Gesuchsgegnerin vor über 10 Jahren registriert. Der Experte Tobias Zuberbühler hat es wiederum nicht für nötig gehalten, wie sonst üblich bei SWITCH das genaue Registrierungsdatum zu erfragen. Bei Verfahrensbeginn führte der Domainname noch zur suche.ch-Hauptseite, während in der Zwischenzeit eine eigene „Tauschen“-Rubrik mit zurzeit fünf Werbebannern erreicht wird.

tausche.ch

Die Gesuchsgegnerin hat auf die Durchführung einer Schlichtungsverhandlung verzichtet. Scheinbar hatte sie der Gesuchstellerin im Vorfeld angeboten, den Domainnamen für 5’000 Euro zu verkaufen, was bei der aktuellen Belegung ungefähr den Einnahmen eines Jahres entspricht.

Erwägungen und Entscheid

Die Gesuchstellerin bzw. ihr Geschäftsführer Heiko Braun stützt seinen Antrag auf die internationale Marke. Er argumentiert, dass die Gesuchsgegnerin ja gar keine Aktivitäten unter der Bezeichnung „tausche“ anbiete und der Domainname daher zu übertragen sei. Da der Domainname noch vor der Marke registriert wurde, weist die Gesuchsgegnerin, ebenfalls durch ihren Geschäftsführer Christian Pfister vertreten, das Gesuch zurück.

Trotz seiner fehlenden Abklärung des genauen Registrierungsdatums hält der Experte die ältere Registrierung des Domainnamens als plausibel, womit das Prinzip „First come first served“ und ein Weiterbenutzungsrecht nach Markenschutzgesetz gilt. Ferner hält er fest, dass die Marke als Imperativ des Verbs tauschen sehr kennzeichnungsschwach ist und sich ihr Schutz bestenfalls auf die geschützten Klassen beschränkt. Da die Gesuchsgegnerin unter ihrem Domainnamen keine Taschen anbiete, bestehe kein Anspruch der Gesuchstellerin. Insofern weist der Experte das Gesuch ab.

Bemerkungen

Der WIPO-Entscheid ist sehr unsorgfältig verfasst und enthält diverse Fehler, angefangen beim Sitz der Gesuchsgegnerin („Will“ statt „Wil“), bis zu diversen Verwechslungen von www.tausche.de und www.suche.ch. Vor allem ist aber unverständlich, weshalb der Experte es unterlassen hat, das Registrierungsdatum bei SWITCH abzuklären. Schliesslich ist die Frage, ob der Domainname nun wirklich vor oder nach der Hinterlegung der Marke registriert wurde, zentral. Dem Entscheid selbst ist hingegen beizupflichten.

Das Angebot der Gesuchsgegnerin, den generischen Domainnamen für 5’000 Euro zu verkaufen, war völlig berechtigt und erscheint mir auch preislich mehr als fair. Ob dieses Angebot weiterhin gilt und die Gesuchstellerin darauf eingehen wird,

WIPO-Verfahren Nr. DCH2012-0029 vom 17. Dezember 2012

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elle-agency.ch: Keine Exklusivrechte an „sie“ für Frauenzeitschrift-Verleger

Die Gesuchstellerin Hachette Filipacchi Presse in Levallois-Perret, Frankreich, verlegt seit 1945 die Frauenzeitschrift „Elle“, die mittlerweile in 43 Versionen in 90 Ländern erhältlich ist. Im deutschsprachigen Raum erscheint sie monatlich mit einer Auflage von gut 200’000 Exemplaren. „Elle“ leitet sich vom französischen Pronomen für „sie“ (als weibliches Pendant zu „er“) ab. Die Gesuchstellerin verfügt über diverse Marken „Elle“, die unter dem Madrider Protokoll hinterlegt wurden und auch in der Schweiz Gültigkeit haben. Die älteste davon stammt aus dem Jahr 1964.

Die Gesuchsgegnerin Full Access Sàrl in Lausanne wurde 2009 gegründet und bezweckt laut Handelsregister, Beratungsleistungen bezüglich Kommunikation und Tourismus zu erbringen. Alleinige Gesellschafterin ist Valérie Lévy, die unter derselben Postadresse noch zwei weitere Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit ähnlichem Zweck besitzt. Eine frühere Aktiengesellschaft von ihr in Genf musste Konkurs anmelden und wurde aufgelöst.

Der Domainname elle-agency.ch wurde am 24. Juni 2010 registriert. Er ist auf die Webseite einer Edel-Begleitagentur umgeleitet. Ob sie und die dort genannte Agenturchefin Leyla Castaldi ein und dieselbe Person sind, lässt sich nicht herausfinden. Die Internetrecherche zeigt jedoch, dass die Agentur „Elle-Agency“ in Lausanne und Genf sehr erfolgreich zu sein scheint und die Agenturchefin regelmässig medienwirksam auftritt, z.B. in einem Interview mit der „Bilanz“.

Erwägungen und Entscheid

Die Gesuchstellerin räumt zwar ein, dass sich die hinterlegten Tätigkeiten ihrer Marke von den Diensten der Gesuchsgegnerin unterscheiden. Sie ist jedoch der Ansicht, dass ihre Marke berühmt sei und daher Schutz über sämtliche Waren- und Dienstleistungsklassen hinweg geniesse, ohne dies aber weiter zu belegen.

Die Berühmtheit der Marke wird von der Gesuchsgegnerin bestritten und letztlich auch vom Experten Bernhard Meyer verneint. Die im Gesetz nicht genannten (alternativen) Kriterien für eine berühmte Marke sind:

  • Hoher (Wieder-) Erkennungswert in der Schweiz: Selbst Leuten, die diese Marke nicht kaufen o.ä., sollte sie bekannt sein (mind. 50% aller Schweizer!) und sie sollten sie sofort erkennen und dem Hersteller zuordnen können. Coca-Cola oder Apple sind beispielsweise berühmte Marken.
  • Hohe Ausgaben für Werbung.
  • Hohe Marktanteile auf verschiedenen Tätigkeitsgebieten.
  • Hohe Unterscheidungskraft und Einzigartigkeit der Marke.

Wer die Berühmtheit der eigenen Marke behauptet, hat dies detailliert zu belegen, mindestens aber mit gross angelegten, repräsentativen Umfrageergebnissen. Die eindrücklichen Verkaufszahlen der Zeitschrift in verschiedenen Ländern alleine reicht dazu nicht. Daneben bewertet der Experte die Marke „Elle“ als wenig unterscheidungskräftig. Gerade in der französischsprachigen Westschweiz, in der die Gesuchsgegnerin tätig ist, ist das Wort Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs. Umso mehr wären hier Beweise für die Berühmtheit der Marke erforderlich gewesen. Damit verletzt der Domainname die Rechte der Gesuchstellerin nicht, womit der Experte das Gesuch abweist.

Bemerkungen

Dem Entscheid ist absolut beizupflichten. Seine Lektüre eignet sich gut, um die Kriterien der „berühmten Marke“ nach Art. 15 Markenschutzgesetz aufzufrischen.

Ich würde sogar soweit gehen, das vorliegende WIPO-Verfahren zur Kategorie der „Domain-Regrabbing“-Fälle zu zählen, bei dem Grossunternehmen versuchen, alle sich in ihrer Nähe befindlichen Domainnamen einzufordern, ohne dazu berechtigt zu sein.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2012-0023 vom 9. November 2012

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