gkb24.ch und weitere: Expertin gibt Graubündner Kantonalbank vorschnell recht

Die Gesuchstellerin, die Graubündner Kantonalbank aus Chur, bietet Bankdienstleistungen an und ist auch im Immobilienbereich tätig. Sie ist als „Graubündner Kantonalbank“ (ohne die Abkürzung GKB) im Handelsregister eingetragen. Sie verfügt über keine Marke, welche die Abkürzung GKB enthält, hat jedoch am 8. Oktober 2012 eine solche beantragt. Sie ist unter www.gkb.ch sowie – wie für Kantonalbanken üblicher – unter www.grkb.ch (mit zweibuchstabiger Kantonsabkürzung, da sich viele Kantone die selben Anfangsbuchstaben teilen) im Internet zu finden.

Der Gesuchsgegner, Rainer Wolfgang Hoffmann und seine Bündner Medien GmbH aus Chur, bieten Informationen zu Geld, Kredit und Börse im Internet an. Sie haben sich zur Aufgabe gemacht, eine Gegenstimme zu Mainstream-Medien zu erheben und in ihrem Online-Portal Geld-Kredit-Börse (GKB) über Themen, die das Weltfinanzsystem betreffen, zu berichten.

Die Domainnamen gkb-blog.ch, gkbblog.ch, gkb-chur.ch, gkb-immobilien.ch, gkbimmobilien.ch, gkb-immo.ch, gkbimmo.ch, gkb-online.ch, gkbonline.ch und gkb24.ch wurden grösstenteils im Juli und August 2010 registriert, ein Teil im März 2012. Unter allen Internetadressen sind Webseiten aufgeschaltet.

gkb-online.ch

Der  zuerst eingesetzte Experte Tobias Zuberbühler hatte eine Schlichtungsverhandlung durchgeführt, die jedoch zu keinem Vergleich geführt hat. Anfang Januar 2013 wurde Theda König Horowitz als neue Expertin eingesetzt, was aus dem Entscheid jedoch nicht direkt hervorgeht und auch häufig von „der Experte“ die Rede ist. Ab dem 9. Januar 2013 wurde sie als Expertin geführt.

Erwägungen und Entscheid

Die Gesuchstellerin stützt ihren Antrag auf Namensrecht sowie das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Sie ist der Ansicht, dass sie ein Namens- und Kennzeichenrecht an der Bezeichnung GKB hat, obwohl diese Abkürzung weder in ihrem Unternehmensnamen enthalten noch als Marke registriert ist, da sie regelmässig GKB genannt werde und diese Abkürzung im geschäftlichen Verkehr verwende. Selbst dem Gesuchsgegner sei diese Abkürzung bekannt; er hat sie auf einer seiner Webseiten verwendet und damit die Gesuchstellerin gemeint. Die Domainnamen schaffen eine Verwechslungsgefahr, da es bei beiden um Finanz- und Immobiliendienstleistungen in derselben Region geht.

Der Gesuchsgegner bestreitet das Namensrecht der Gesuchstellerin an der Bezeichnung GKB sowie die Behauptung, das Zeichen werde in der ganzen Schweiz mit der Graubündner Kantonalbank asoziiert. Er führt weiter aus, dass diese Abkürzung auch in anderen Fällen von Dritten benutzt wird und die Graubündner Kantonalbank kein Monopol an den drei Buchstaben beanspruchen könne. Und selbst wenn ein Namensrecht anerkannt werde, würden die Domainnamen die Rechte der Gesuchstellerin nicht beeinträchtigen, auch nicht in unlauterer Weise. Der Gesuchsgegner bzw. sein Anwalt versäumt es aber, abgesehen vom Verweis auf den Grundsatz „First come, first served“, die eigene Berechtigung bzw. Ansprüche an den Domainnamen zu untermauern.

Die Expertin zitiert aus dem Entscheid des Bundesgerichts vom 12. Januar 2006, 4C.360/2005, dass juristische personen oft ihren Namen in Form einer Kurzbezeichnung benutzen und unter dieser Kurzbezeichnung im Publikum bekannt sind. Auch solche Kurzbezeichnungen können dem Namensschutz unterstehen, sofern solche Wortzeichen im Verkehr als Namen aufgefasst werden. Die Gesuchstellerin führt diese Abkürzung seit über zehn Jahren auf ihrer Webseite. Es sei ausserdem notorisch [unklar, ob für die Gesuchstellerin oder die Expertin], dass Kantonalbanken unter einer solchen Abkürzung tätig sind. Die Expertin lässt sich von den eingereichten Unterlagen überzeugen, dass die Gesuchstellerin zumindest im deutschsprachigen Raum der Schweiz unter der Bezeichnung GKB einen gewissen Bekanntheitsgrad geniesst, und spricht ihr Namensrechte an der Abkürzung zu.

Die Expertin sieht auch eine Verwechslungsgefahr. Gerade wenn zwei Unternehmen ihren Sitz am selben Ort haben, miteinander im Wettbewerb stehen oder sich an die gleichen Kreise richten, sind an die Unterscheidbarkeit besonders hohe Anforderungen zu stellen. Bei Domainnamen genüge „die Gefahr, dass Personen, welche die Homepage des berechtigten Namensträgers besuchen wollen, ungewollt auf eine andere Internetseite geraten“. Da die Domainnamen mit der geschützten Bezeichnung beginnen und als Zusatz den Firmensitz der Gesuchstellerin Chur und die Kurzform einer ihrer Tätigkeitsbereiche Immobilien verwende, sei das Risiko einer Verwechslung gross. Die Gesuchstellerin hat seit über zehn Jahren eine Webseite, was ihr gemäss der Expertin auch eine Berechtigung am Zusatz „-blog“ und „-online“ verleiht. Ausserdem bestehe das „Risiko, dass Personen, die im Internet nach ‚GKB‘ suchen, um die Gesuchstellerin zu finden, zufällig auf einen der Domainnamen des Gesuchsgegners stosse und auf dessen Webseite gerate.

Zum Schluss hält die Expertin fest, dass dass der Gesuchsgegner keinerlei Kennzeichenrechte an der Bezeichnung GKB hat. Es handle sich dabei ja „nur“ um eine Abkürzung des Titels Geld-Kredit-Börse ihrer Webseite und es lägen keine Hinweise vor, ob und wie oft diese Webseite besucht wurde, ob dafür Werbung gemacht wurde und ob darüber in Zeitungen oder sonstigen Medien berichtet wurde.

Basierend auf ihren Namensrechten beschliesst die Expertin die Ãœbertragung der Domainnamen auf die Gesuchstellerin.

Bemerkungen

Dieser Entscheid mag zwar im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden sein. Wohl aber kann ich mich den Argumenten der Expertin aus den folgenden Gründen nicht anschliessen:

  • Kantonalbanken sind – wie erwähnt – mehrheitlich mit einer vierbuchstabigen Abkürzung im Internet zu finden, da sich jeweils mehrere Kantone denselben Anfangsbuchstaben teilen. Darauf ist die Expertin mit keinem Wort eingegangen, sondern hat basierend auf drei Beispielen von dreibuchstabigen Abkürzungen geschlossen, dass dies allgemein bekannt sei. Meine Recherche hat ergeben, dass 50% aller Kantonalbanken (12 von 24) eine vierbuchstabige Abkürzung verwenden und nur 37,5% (9 von 24) eine dreibuchstabige Abkürzung benützen, wobei sich ausnahmslos auch unter der erwarteten vierbuchstabigen Internetadresse zu finden sind. 12,5% (3 von 24) aller Kantonalbanken haben sich für eine andere Lösung entschieden.
  • Die Expertin verweist auf Ausführungen in einem Bundesgerichtsurteil. Bei diesem war die Abkürzung jedoch ein klarer Bestandteil der Namen beider Parteien. Dort hatte sich der „Bund Schweizer Architekten – BSA“ gegen die „BSA Business Software Alliance Inc.“ aus Amerika durchgesetzt, obwohl auch dieser über keinerlei Markenrechte verfügte. Was umso unverständlicher ist, als die Abkürzung des Berufsverbands eine Art Gütesiegel („Architekt BSA“) darstellt und ihre Verwendung damit nicht geschützt ist. Jedenfalls sind die in diesem Urteil genannten Gründe mit Vorsicht zu geniessen.
  • Zumindest im deutschsprachigen Raum der Schweiz geniesse die Gesuchstellerin unter der Bezeichnung „GKB“ einen gewissen Bekanntheitsgrad, meint die Expertin. Dem ist zu widersprechen. Während die Institution der Kantonalbank in fast allen Kantonen bekannt ist (im Kanton Solothurn gibt es sie nicht mehr), sind die Schweizer kaum mit Kantonalbanken ausserhalb des eigenen Kantons vertraut. Insofern müsste sich der Schutzbereich der Gesuchstellerin auf den Kanton Graubünden beschränken. Dies auch, weil sich der örtliche Schutzbereich von (Unternehmens-) Namen auf den örtlichen Bereich des tatsächlichen Namensgebrauchs beschränkt. Das hätte unserem Gesuchsgegner aber nur genützt, wenn dessen Firmensitz ausserhalb des Kantons Graubünden gelegen wäre.
  • Die Kennzeichenrechte sind nicht dafür da, Schutz ohne Registrierung zu bieten. Wer es versäumt, eine Bezeichnung oder eine Buchstabenfolge als Firma, Marke oder sonstiges Kennzeichen zu schützen, soll eigentlich nicht mittels eines Hintertürchens doch noch Schutz erhalten. Denn wegen der Rechtssicherheit gilt das Eintragungsprinzip: Wer eine neue Marke oder Firma eintragen will, muss schliesslich die Möglichkeit haben, zu überprüfen, ob es bereits ein identisches oder ähnliches Kennzeichen gibt. Zwar bleiben nicht registrierte Zeichen nicht schutzlos. Trotzdem sind hohe Anforderungen an dessen Nachweis zu stellen, was im vorliegenden Verfahren meiner Meinung nach zu kurz kam.
    Klammerbemerkung: Eine ähnliche Diskussion zu Abkürzungen war vor kurzem im Rahmen des Namenswechsel des Schweizer Fernsehens im Gange. Die Swiss Retail Federation gab an, unter dem Kürzel „SRF“ bekannt zu sein und auch das Schweizer Fernsehen habe mit bei einem Bericht über sie diese Abkürzung verwendet. Aber auch sie hatte die Buchstabenfolge weder als Marke geschützt noch war sie Teil ihres Namens, womit das Schweizer Fernsehen dieselbe Abkürzung rechtlich ungehindert verwenden konnte.
  • Die Buchstabenfolge GKB steht tatsächlich noch für weitere Unternehmen und Institutionen im In- und Ausland, z.B. die GKB Gewerkschaften Bern, die GKB Holding SA in Lugano, die GKB Planung GmH in Flawil oder die GKB Services AG in Aarau. Wäre eine dieser Firmen im Bank- oder Immobilienbereich tätig, hätte die Gesuchstellerin möglicherweise ein Problem.
  • Das Risiko, bei der Internetsuche nach GKB auf den Gesuchsgegner zu treffen, ist gering. Zu gross ist die Internetpräsenz der Gesuchstellerin und ihr Auftritt im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen. Recht früh werden jedoch die GKB Gewerkschaften Bern gefunden. Zieht die Gesuchstellerin auch hier rechtliche Schritte in Betracht? Wie der Gesuchsgegner korrekt ausgeführt hatte: Eine Buchstabenfolge zu monopolisieren ist nicht möglich, es sei denn als berühmte Marke, welche die Bevölkerung tatsächlich nur mit dem Inhaber und sonst niemandem in Verbindung bringt.
  • Dass eine seit zehn Jahren bestehende Webseite einen Anspruch auf Zusätze wie -blog oder -online verleihen soll, ist für mich vollkommen unverständlich. Ich merke mir dies aber gerne, um bei Gelegenheit eigene Ansprüche an fremden Domainnamen geltend zu machen. Schliesslich sind meine ersten Webseiten seit mittlerweile 15 Jahren online.
  • Noch mehr stört mich aber die Aussage, dass die Gesuchgegnerin keine Kennzeichenrechte an der Bezeichnung „GKB“ habe, da sich diese ja nur auf den Webseiten-Titel „Geld-Kredit-Börse – GKB“ beziehe und nicht auf ihren Namen oder eine Marke. Und dies kurz nachdem die Expertin der Gesuchstellerin Namensschutz an der Abkürzung gewährt, obwohl diese nicht Teil des Namens ist. Wenn schon nicht registrierte Kennzeichen geschützt werden sollen, dann aber nicht nur bei einer Partei. Hier hat es wie erwähnt der Anwalt des Gesuchsgegners versäumt, die eigene Berechtigung bzw. Ansprüche an den Domainnamen zu untermauern.

Bei registrierten Kennzeichen gilt die Eintragungspriorität. Kollidieren jedoch zwei nicht registrierte Zeichen von Unternehmen, die miteinander im Wettbewerb stehen und sich am selben Ort befinden, gilt die Gebrauchspriorität. Dass dies erfüllt ist, ist nicht abzustreiten. Damit ist der Graubündner Kantonalbank tatsächlich der Vorzug zu geben. Hätten sich die Webseiten mit einem Bank-fremden Thema befasst oder wäre der Gesuchsgegner nicht im Graubünden wohnhaft gewesen, hätte er sich in diesem Verfahren vermutlich erfolgreich wehren können.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2012-0026, Entscheid vom 28. Januar 2013.

Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/gkb24.ch

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