elle-agency.ch: Keine Exklusivrechte an „sie“ für Frauenzeitschrift-Verleger

Die Gesuchstellerin Hachette Filipacchi Presse in Levallois-Perret, Frankreich, verlegt seit 1945 die Frauenzeitschrift „Elle“, die mittlerweile in 43 Versionen in 90 Ländern erhältlich ist. Im deutschsprachigen Raum erscheint sie monatlich mit einer Auflage von gut 200’000 Exemplaren. „Elle“ leitet sich vom französischen Pronomen für „sie“ (als weibliches Pendant zu „er“) ab. Die Gesuchstellerin verfügt über diverse Marken „Elle“, die unter dem Madrider Protokoll hinterlegt wurden und auch in der Schweiz Gültigkeit haben. Die älteste davon stammt aus dem Jahr 1964.

Die Gesuchsgegnerin Full Access Sàrl in Lausanne wurde 2009 gegründet und bezweckt laut Handelsregister, Beratungsleistungen bezüglich Kommunikation und Tourismus zu erbringen. Alleinige Gesellschafterin ist Valérie Lévy, die unter derselben Postadresse noch zwei weitere Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit ähnlichem Zweck besitzt. Eine frühere Aktiengesellschaft von ihr in Genf musste Konkurs anmelden und wurde aufgelöst.

Der Domainname elle-agency.ch wurde am 24. Juni 2010 registriert. Er ist auf die Webseite einer Edel-Begleitagentur umgeleitet. Ob sie und die dort genannte Agenturchefin Leyla Castaldi ein und dieselbe Person sind, lässt sich nicht herausfinden. Die Internetrecherche zeigt jedoch, dass die Agentur „Elle-Agency“ in Lausanne und Genf sehr erfolgreich zu sein scheint und die Agenturchefin regelmässig medienwirksam auftritt, z.B. in einem Interview mit der „Bilanz“.

Erwägungen und Entscheid

Die Gesuchstellerin räumt zwar ein, dass sich die hinterlegten Tätigkeiten ihrer Marke von den Diensten der Gesuchsgegnerin unterscheiden. Sie ist jedoch der Ansicht, dass ihre Marke berühmt sei und daher Schutz über sämtliche Waren- und Dienstleistungsklassen hinweg geniesse, ohne dies aber weiter zu belegen.

Die Berühmtheit der Marke wird von der Gesuchsgegnerin bestritten und letztlich auch vom Experten Bernhard Meyer verneint. Die im Gesetz nicht genannten (alternativen) Kriterien für eine berühmte Marke sind:

  • Hoher (Wieder-) Erkennungswert in der Schweiz: Selbst Leuten, die diese Marke nicht kaufen o.ä., sollte sie bekannt sein (mind. 50% aller Schweizer!) und sie sollten sie sofort erkennen und dem Hersteller zuordnen können. Coca-Cola oder Apple sind beispielsweise berühmte Marken.
  • Hohe Ausgaben für Werbung.
  • Hohe Marktanteile auf verschiedenen Tätigkeitsgebieten.
  • Hohe Unterscheidungskraft und Einzigartigkeit der Marke.

Wer die Berühmtheit der eigenen Marke behauptet, hat dies detailliert zu belegen, mindestens aber mit gross angelegten, repräsentativen Umfrageergebnissen. Die eindrücklichen Verkaufszahlen der Zeitschrift in verschiedenen Ländern alleine reicht dazu nicht. Daneben bewertet der Experte die Marke „Elle“ als wenig unterscheidungskräftig. Gerade in der französischsprachigen Westschweiz, in der die Gesuchsgegnerin tätig ist, ist das Wort Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs. Umso mehr wären hier Beweise für die Berühmtheit der Marke erforderlich gewesen. Damit verletzt der Domainname die Rechte der Gesuchstellerin nicht, womit der Experte das Gesuch abweist.

Bemerkungen

Dem Entscheid ist absolut beizupflichten. Seine Lektüre eignet sich gut, um die Kriterien der „berühmten Marke“ nach Art. 15 Markenschutzgesetz aufzufrischen.

Ich würde sogar soweit gehen, das vorliegende WIPO-Verfahren zur Kategorie der „Domain-Regrabbing“-Fälle zu zählen, bei dem Grossunternehmen versuchen, alle sich in ihrer Nähe befindlichen Domainnamen einzufordern, ohne dazu berechtigt zu sein.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2012-0023 vom 9. November 2012

Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/elle-agency.ch

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