Artemis gegen Artemis lässt kleine Kosmetikstudio-Betreiberin chancenlos

Die erst seit wenigen Jahren im Schweizer Handelsregister eingetragene Artemis Suisse SA in Herisau scheint seit 1960 eine internationale Marke „Artemis“ mit Wirkung in der Schweiz für Kosmetikprodukte zu besitzen. Unter der Bezeichnung „Artemis of Switzerland“ vertreibt sie wie viele andere Kosmetikfirmen auch Gels, Crèmen, Seren und Weiters für die Hautpflege. Ihre Produkte sind bei Douglas erhältlich.

Das Kosmetik-Studio Artemis in Brütten ist dagegen ein kleiner Fisch. Es ist eines von vielen Ein-Frau-Kosmetikstudios, die sich ebenfalls des Namens der griechischen Göttin der Jagd, des Waldes und der Hüterin der Frauen und Kinder bedienen, die sinnbildlich für Schönheit und Weiblichkeit steht. Die eidgenössisch diplomierte Kosmetikerin Trixi Guthöhrlein bietet kosmetische Gesichtspflege, Enthaarungen mit Warmwachs, Wimpernverlängerungen und Augenbrauen-Färben an. Und ist damit der Artemis Suisse SA ein Dorn im Auge. Die Kosmetikfirma verlangt die Übertragung der vor vier Jahre registrierten Internetadresse der Kosmetikerin, kosmetik-studio-artemis.ch.

Das bisherige Kosmetik-Studio-Artemis.ch

Sowieso scheint „Artemis“ ein beliebter Name zu sein: So gibt es Markeneintragungen für Uhren, Reinheit und Rennsport. Im Telefonbuch finden sich neben weiteren kleinen Kosmetikstudios auch Coiffeurgeschäfte, Restaurants, Bars, Hotels, Kunstgalerien, ein Geburtshaus, eine Informatikfirma, eine Lebensberaterin, eine Hundeschule und viele Privatpersonen mit diesem Namensbestandteil. Weiter ist Artemis der Name eines Satellits, eines Mondkraters, einer forensischen Software der Polizei, eines Segel- sowie eines Kreuzfahrtschiffs, einer Flugabwehrkanone, eines Smartphones, eines grosses Bordells in Berlin, eines Verlags, eines Streichquartetts und der Romanfigur Artemis Fowl.

In diesem Sinne argumentiert die von Frau Guthöhrlein beauftragte renommierte Anwaltsfirma, dass dem Begriff „Artemis“ erstens keine Unterscheidungskraft zukomme, dieser Gemeingut darstelle und daher freihaltebedürftig sei. Zumindest, weil der Gebrauch durch zahlreiche Drittpersonen zu einer Verwässerung der Marke geführt habe. Zweitens sei die Marke nur für Waren hinterlegt worden, die Kosmetikerin würde hingegen nur Dienstleistungen anbieten. Aufgrund der unterschiedlichen Schutzklassen bestehe keine Gleichartigkeit im Sinne des Markenschutzgesetzes. Und drittens es habe die Artemis Suisse SA jahrelang unterlassen, juristisch gegen andere Artemis-Firmen vorzugehen, womit sie ihre Ansprüche verwirkt hätten.

Diese stichhaltigen Argumente überzeugen den Experten, Michael A.R. Bernasconi, nicht. Er stuft den Begriff „Artemis“ als Fantasiebezeichnung ein und ist der Meinung, dass Kosmetikfirmen trotz der Monopolisierung dieses Begriffs weiterbestehen können bzw. in ihrer Markttätigkeit nicht übermässig eingeschränkt sind. Somit bestehe ein gültiger Markenschutz.

Bezüglich der Verwässerung der Marke stellt er auf das Schweizer Markenregister und das Handelsregister ab und kommt zum Schluss, dass die geringe Zahl von drei weiteren Artemis-Kosmetikfirmen nicht ausreiche, um die Marke zu verwässern. Dabei ignoriert er – absichtlich oder nicht – die zahlreichen Ein-Frau-Kosmetikstudios, die sich kaum je um juristische Spitzfindigkeiten wie Markenschutz oder Handelsregistereintrag bemühen, da sie auch ohne diesen tätig sein können und meistens den Mindestumsatz nicht erreichen, ab dem ein Handelsregistereintrag auch für Einzelunternehmungen zwingend vorgeschrieben ist.

Weiter führt der Experte aus, dass Gleichartigkeit im Sinne des Markenschutzgesetzes auch im Verhältnis zwischen Waren und Dienstleistungen besteht. Zumindest dort, wo das eine Angebot die Voraussetzung des andern Angebots darstellt. Dies sei vorliegend gegeben, da eine Kosmetikerin für ihre Arbeit auf Kosmetikprodukte angewiesen sei. Dies vermag nicht zu überzeugen. Beim Hinterlegen einer Marke muss man sich bewusst für einzelne Waren- und/oder Dienstleistungsklassen entscheiden, für die der Schutz gelten soll. Werden mehr als drei Klassen beansprucht, untersteht jede zusätzliche Klasse einer Gebührenpflicht. Die Artemis Suisse SA hatte bewusst nur die Warenklasse, nicht aber die Dienstleistungsklasse registriert. Dies zeigt auch die Tatsache, dass die Kosmetikfirma im Jahr 2010 eine weitere Marke für eben diese Klasse 44 (Schönheitspflege für Menschen) registriert hatte. Für den älteren Domainnamen ist diese neue Markeneintragung jedoch irrelevant.

Schliesslich geht Herr Bernasconi auch auf die Frage der Verwirkung der Unterlassungsansprüche ein. Er stellt jedoch darauf ab, dass die Verwirkungsfrist erst ab Kenntnis des Domainnamens und damit des Abwehranspruchs zu laufen beginnt. Beweispflichtig für den (frühen) Zeitpunkt des Kenntniserwerbs sei, wer die Verwirkung geltend macht. Konkret sei die Kosmetikstudiobetreiberin dieser Beweispflicht nicht nachgekommen.

Leider fehlt dem Verfahrensreglement für Schweizer Domainnamen der Passus des internationalen Verfahrens, wonach (hier meiner Meinung nach bestehende) entgegenstehende Rechte des beklagten Domainnamen-Inhabers die Ãœbertragung des Domainnamens verhindern. Daher entscheidet der Experte, dass der Domainname „kosmetik-studio-artemis.ch“ auf die Artemis Suisse SA zu übertragen sei.

„Qualität ohne Kompromisse“ ist einer der Werbesprüche der Artemis Suisse SA. Kompromisslos scheint die Firma auch gegenüber kleinen Kosmetikstudios zu sein. Es ist zu befürchten, dass dies lediglich ein Test war und die Artemis Suisse SA nach diesem erfolgreichen Reverse Domain Name Grabbing nun gegen weitere Kosmetikerinnen vorgehen wird.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2011-0011, Entscheid vom 22. Juni 2011

Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/kosmetik-studio-artemis.ch

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