Die Gesuchsteller mySwissChocolate AG und ihr GeschĂ€ftsfĂŒhrer Sven Beichler aus Wermatswil betreiben eine Internetplattform, auf der die Besucher Schokolade und PralinĂ©s nach den eigenen WĂŒnschen kreieren (Basis, Geschmacksrichtung, Zutaten) und bestellen können. Das Unternehmen ist seit dem 25. Oktober 2010 im Handelsregister eingetragen und verfĂŒgt seit dem 9. Februar 2010 ĂŒber eine Wort-Bild-Marke mit dem Logo und Schriftzug von mySwissChocolate.ch, gegen die allerdings ein Widerspruch vor Bundesverwaltungsgericht hĂ€ngig ist: Camille Bloch hatte den Widerruf der Marke verlangt, was vom Institut fĂŒr Geistiges Eigentum abgelehnt wurde. Das hat aber nichts damit zu tun, dass die Gesuchsteller das Kreuz in ihrem Logo unerlaubterweise in weiss auf rotem Grund wiedergeben.
Die Gesuchsgegnerin chocri GmbH aus Berlin betreibt eine beinahe identische Internetplattform fĂŒr individuelle Schokolade und Pralinen. Sie behauptet, Ihr Angebot habe als Erstes bestanden und die Gesuchsteller wĂŒrden sie imitieren. Zwar scheint sie tatsĂ€chlich schon lĂ€nger im SchokoladengeschĂ€ft tĂ€tig zu sein, aber die Idee, Kunden ein Produkt selbst zusammenstellen zu lassen, haben weder die eine noch die andere Partei erfunden. Ausserdem ist dieser Punkt fĂŒr das vorliegende Verfahren nicht von Bedeutung. Jedenfalls hat die Gesuchsgegnerin mit verschiedenen Methoden systematisch versucht, den GeschĂ€ftsgang der Gesuchsteller zu behindern. So hat sie zuerst (vergeblich) versucht, myswisschocolate als deutsche Marke eintragen zu lassen. Dann hat sie die Domainnamen myswisschoclate.com, my-swiss-chocolate.com, myswisschoclate.de und my-swiss-chocolate.de registriert und auf ihre eigene Webseite umgeleitet. Schliesslich hat sie auch die Namen von Unternehmen, die von den Gesuchstellern ĂŒbernommen wurden, als Schweizer Internetadressen registriert. Zwischenzeitlich wurden die Domainnamen auf inaktiv gesetzt und/oder eine vordergrĂŒndig harmlose Webseite â ein Blog ĂŒber Schweizer Schokolade â aufgeschaltet.
Die Domainnamen myswisschoclate.ch und my-swiss-chocolate.ch wurden am 9. November 2010 registriert, also nach der Eintragung der Marke und des Unternehmens der Gesuchsteller.
In einem separaten WIPO-Verfahren hatte der Gesuchsteller Sven Beichler von der Gesuchsgegnerin die Ăbertragung des Domainnamens myswisschoclate.com verlangt, den diese einen Tag vor den Schweizer Domainnamen des vorliegenden Verfahrens registriert hatte. Obwohl die Gesuchsgegnerin hier keine Antwort eingereicht und nicht mitgewirkt hatte, hatte der hollĂ€ndische Experte das Gesuch schlussendlich abgelehnt. Er kam zum Schluss, Sven Beichler hĂ€tte ihm wichtige Informationen vorenthalten. Daneben habe er nicht ausreichend dargelegt, wieso bei der Bildmarke 1) die Bildelemente zu vernachlĂ€ssigen seien, 2) my swiss chocolate .ch der dominante Bestandteil sei und 3) dabei das „.ch“ ebenfalls zu ignorieren sei. Ausserdem sei der Onlineshop der Gesuchsgegnerin mindestens zwei Jahre lĂ€nger aufgeschaltet als derjenige der Gesuchsteller â als ob dies rechtfertigen wĂŒrde, die Markenrechte eines anderen zu verletzen und sich unlauter zu verhalten.
In einem frĂŒheren WIPO-Verfahren hatte Sven Beichler die Ăbertragung des Domainnamens myswisschocolate.com von einer Koreanerin verlangt und war damit erfolgreich, obwohl die damalige Halterin beteuert hatte, bereits ĂŒber einen GeschĂ€ftsplan zum Vertrieb von Schweizer Schokolade zu verfĂŒgen. Ihre Forderung, das Verfahren sei in Koreanisch durchzufĂŒhren, da dies die Vertragssprache sei und sie nur schlechte Englischkenntnisse habe, wurde vom Experten aus Kosten- und EffizienzgrĂŒnden abgelehnt â einem Amerikaner koreanischer Herkunft.
ErwÀgungen und Entscheid
Die Gesuchsteller machen die Verletzung ihres Markenrechts, ihres Namensrecht und des Wettbewerbsrechts geltend.
Die Gesuchsgegnerin verweist auf den WIPO-Entscheid zu myswisschoclate.com, in dem die WIPO festgestellt habe, dass eine Bildmarke nicht ausreiche, um die Domainnamen ĂŒbertragen zu lassen. Daran habe sich nichts geĂ€ndert. Ausserdem habe sie weder Zeit noch Lust, sich im Verfahren weiter zu Ă€ussern. Ihr Verhalten sei ausserdem nicht bösglĂ€ubig, da sie als weltweit erste Firma individualisierte Schokolade im Internet verkauft habe und die Gesuchsteller ihre Idee nachahmen.
Der Experte Daniel Kraus hĂ€lt zunĂ€chst fest, dass die Gesuchsteller ĂŒber eine Schweizer Marke verfĂŒgen. Bei kombinierten Word-Bild-Marken muss immer von Fall zu Fall entschieden werden, ob der Wort- oder der Bildbestandteil dominierend oder ausschlaggebend ist. Der Gesamteindruck ist massgebend. Vorliegend sei der Schriftzug dominant, gerade auch „im mĂŒndlichen GeschĂ€ftsverkehr“. Trotzdem ist der Wortbestandteil rein beschreibend und nicht freihaltebedĂŒrftig, womit die Registrierung und Verwendung der Domainnamen durch die Gesuchsgegnerin keine Markenverletzung darstellen. Der Experte kann nicht beurteilen, ob sich das Kennzeichen im Verkehr durchgesetzt hat und deshalb nachtrĂ€glich Kennzeichenkraft erlangt hat.
Aber: Die Gesuchstellerinnen verfĂŒgen ĂŒber auch ĂŒber ein Namensrecht an ihrem Unternehmensnamen. Hier besteht eine klare Verwechslungsgefahr zwischen den Domainnamen und der Firma. Im Gegensatz dazu verfĂŒgt die Gesuchsgegnerin ĂŒber keine (bessere) Berechtigung an den Domainnamen.
Daneben ist das Vorgehen der Gesuchsgegnerin unlauter. Ihr war schon vor der Registrierung der Domainnamen bekannt, dass in der Schweiz ein Unternehmen unter diesem Namen Schokolade anbietet. Sie hatte die Domainnamen gezielt registriert und genutzt, um ungerechtfertigte Vorteile zu erreichen.
Schliesslich hÀlt der Experte fest, dass die Gesuchsgegnerin nicht belegt hat, dass sie in der Schweiz produzierte Schokolade anbietet oder anbieten kann. Daraus resultiert eine weitere Verwechslungsgefahr betreffend die Herkunft der Produkte.
Zusammenfassend gibt der Experte dem Gesuch statt und beschliesst die Ăbertragung der Domainnamen auf der Basis des Namens- und Lauterkeitsrechts.
Bemerkungen
TatsĂ€chlich handelt es sich bei der Marke der Gesuchsteller um eine schwache Marke, die sich aus beschreibenden Elementen und Sachbegriffen des allgemeinen Sprachgebrauchs zusammensetzt. Genau deswegen verfĂŒgen die Gesuchsteller auch nicht ĂŒber eine reine Wortmarke: Das Institut fĂŒr Geistiges Eigentum hĂ€tte eine solche schlicht abgelehnt und nicht eingetragen â oder zumindest nicht fĂŒr Waren- und Dienstleistungsklassen rund um Schokolade. Daher mussten die Gesuchsteller grafische Elemente hinzufĂŒgen, um ein genĂŒgend individuelles Zeichen zu erreichen.
Das Konzept, die Kunden ein Produkt nach ihren WĂŒnschen zusammenstellen zu lassen, ist nicht neu. Weder die Gesuchsteller noch die Gesuchsgegnerin hat dieses erfunden. Am meisten Werbung wurde Mitte der 2000-er Jahre wohl fĂŒr individuell zusammengestellte FrĂŒhstĂŒcksflocken bzw. MĂŒesli gemacht. Dass gute Ideen und Produkte nachgeahmt oder teilweise sogar recht dreist kopiert werden, ist leider eine Tatsache. So kopiert die Migros beispielsweise regelmĂ€ssig Markenprodukte inklusive deren Erscheinungsbild. Ob die Konkurrenz dabei eine rechtlich bedenkliche Ăhnlichkeit erreicht, ist allenfalls durch ein staatliches Gericht zu beurteilen. Weder im einen noch im andern Fall ist es aber erlaubt, deswegen ein anderes Unternehmen mit solchen Mitteln in seinem wirtschaftlichen Fortkommen zu behindern.
Fraglich ist auch, ob die beiden Parteien tatsĂ€chlich in einem direkten KonkurrenzverhĂ€ltnis zueinander stehen. Schweizer werden ihre Schokolade wohl kaum in Deutschland bestellen und umgekehrt, schon wegen den höheren Versandkosten. Gute Schokolade gibt es auf beiden Seiten der Grenze, und genĂŒgend Platz fĂŒr zwei Schoggi-Anbieter eigentlich auch.
WIPO-Verfahren Nr. DCH2012-0032, Entscheid vom 28. Januar 2013
Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/my-swiss-chocolate.ch
Verfasst in der Kategorie: WIPO Schiedsgerichtsentscheide von Thomas Schneider am 19. Februar 2013
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