Ein Bindestrich für 2600 Franken

Der Anzeiger von Uster berichtet über den WIPO-Domainnamenentscheid spital-uster.ch. Ich gratuliere Frau Rubli zum gelungenen Artikel und bedanke mich für die namentliche Erwähnung und hoffe, dass ich mit meinen Auskünften weiterhelfen konnte.

Zum Zeitungsartikel: Ein Bindestrich für 2600 Franken, Anzeiger von Uster vom 30. August 2012

Zu meiner Entscheidbesprechung: spital-uster.ch: Nachlässiges Spital vor Domaingrabber geschützt, Domainnamenblog.ch vom 16. August 2012

Bundesgericht: SWITCH darf Tochterfirma bevorzugen

SWITCH darf ihre Tochtergesellschaft Switchplus nun doch bevorteilen, indem sie ihr werbewirksame Leistungen gewährt, die anderen Grosshandelspartnern nicht zur Verfügung stehen. Nachdem ihr dies vom Bundesamt für Kommunikation und vom Bundesverwaltungsgericht untersagt wurde, hat das Bundesgericht deren Entscheide nun gekippt und die Beschwerde von SWITCH am 14. August 2012 gutgeheissen.

SWITCH hat am 22. März 2012 gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Februar 2012 Beschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Das Urteil hat SWITCH untersagt, ihre 2009 gegründete Tochtergesellschaft switchplus ag auf der Homepage www.switch.ch zu verlinken (konkret: mit einem Werbebanner, siehe Bildschirmfoto). switchplus bietet Dienstleistungen rund um einen Internetauftritt an, darunter auch Hosting-Dienstleistungen. Dass SWITCH als Schweizer Registrierstelle für .ch- und .li-Domainnamen ihre Tochterfirma durch die Verlinkung gegenüber andern, nicht verlinkten Hosting-Anbieter bevorzugt, versuchte eine Gruppe solcher Hosting-Provider zu verhindern.

SWITCH hatte mit der Wirtschaftsfreiheit argumentiert. So müsse es möglich sein, auf der Konzern-Webseite www.switch.ch nicht nur über das Kerngeschäft für die Hochschulen, von denen die Stiftung SWITCH gegründet wurde, sondern auch über die Dienstleistungen der Tochtergesellschaft switchplus zu informieren.

Bemerkungen

Auf der einen Seite scheint der Vorteil marginal: Geübte Internetnutzer wissen, dass das Domainnamenangebot von SWITCH nicht dort, sondern unter der Adresse www.nic.ch zu finden ist. Hier befindet sich nirgends ein Link zu switchplus. Auf der anderen Seite gelangt man mittels Klick auf das SWITCH-Logo leicht auf die Hauptseite von SWITCH und wieder zum Link. Auch wem die Konstellation nicht geläufig ist, gelangt eher dorthin. Auch scheint der Link in Form des Werbebanners unverhältnismässig gross. Hätte SWITCH wirklich nur informieren wollen, hätte ein einfacher Textlink längstens ausgereicht. Umsomehr erstaunt, dass das Bundesgericht mit seinem Urteil dem BAKOM und dem Bundesverwaltungsgericht als Vorinstanzen widerspricht.

Update 31. August 2012: Entscheidbegründung

Am 31. August 2012 wurden das Bundesgerichtsurteil bzw. die Erwägungen im Internet veröffentlicht. Zwar hält das Bundesgericht darin fest, dass sich SWITCH im Wholesale-Bereich nicht auf die Wirtschaftsfreiheit berufen könne und an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden sei, soweit sie eine öffentliche Aufgabe (die Registerführung) wahrnehme. Die Tochterfirma switchplus erlange tatsächlich einen Wettbewerbsvorteil, indem sie den Firmenbestandteil „switch“ führen dürfe, indem sie vom Bekanntheitsgrad von SWITCH profitiere. Die Werbung richte sich jedoch an Endkunden und betreffe damit den Retail-Bereich. Hier gelte der normale Wettbewerb. Der Werbevorteil sei für switchplus nicht grösser als wenn SWITCH für seine eigenen Dienstleistungen Werbung betreiben würde, hält das Bundesgericht fest. Ansonsten müsste man dies SWITCH insgesamt verbieten, was dann aber gleichzeitig einen Nachteil gegenüber den Wholesale-Partnern bedeuten würde.

Zum Schluss verweist das Bundesgericht aber darauf, dass ein allfälliger Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (das wäre nach Art. 7 des Kartellgesetzes verboten) nicht auf dem hier eingeschlagenen verwaltungsrechtlichem (BAKOM und Bundesverwaltungsgericht), sondern auf zivilrechtlichem Weg bei einem Zivilgericht gerügt werden müsste. Eine Empfehlung an die Gruppe der Hosting-Provider?

Was im Urteil nicht angesprochen wurde: SWITCH versucht tatsächlich, ihre Tochterfirma switchplus als Nachfolgerin zu positionieren für den Fall, dass das BAKOM den Vertrag mit SWITCH über die Verwaltung von Domainnamen nicht mehr verlängert. Dieser Vertrag wurde zuletzt per 31. Januar 2007 und bis zum 31. März 2015 verlängert. Eine weitere Verlängerung ist – wie schon im 2007 – zwar absehbar, jedoch nicht selbstverständlich. So wurde SWITCH aufgrund vieler eigenmächtiger Entscheidungen, z.B. zur Senkung der Domainnamenpreise ohne Rücksprache, im Laufe der Jahre mehrfach gerügt.

Urteil des Bundesgerichts 2C_271/2012 vom 24. August 2012

armaniexchange.ch: Berühmte Marke macht kurzen Prozess

Die Gesuchstellerin, die Giorgio Armani S.p.A., ist die schweizerische Zweig­­nie­der­las­sung des ita­lie­nischen Mode­kon­zerns rund um den gleich­na­migen Mode­schöp­fer. Sie ist seit 2009 im Han­dels­re­gis­ter so­wie als Hal­te­rin von 174 Schwei­zer Mar­ken ein­ge­tra­gen. Zu die­sen Mar­ken ge­hört auch „Ar­ma­ni Ex­change“, hin­ter­legt seit No­vem­ber 1996. Un­ter die­ser Marke wer­den Her­ren- und Da­men­be­klei­dung für ein ju­gend­li­ches Pu­bli­kum im un­te­ren Mit­tel­preis­seg­ment an­ge­bo­ten.

Gesuchsgegner ist die chinesische Firma Domain Solutions Corp., Jian Du A. Dieser antwortet zwar auf die Kontaktaufnahme und meldet eine Person namens „Bo Hang“ als Halter des Domainnamens, der ebenfalls kontaktiert wird. Eine weitere Teilnahme am Verfahren findet aber weder vom einen noch vom andern statt. Jian Du A figuriert als Inhaber von rund 440 Domainnamen.

Der Domainname armaniexchange.ch wurde am 30. Dezember 2011 registriert. Er führt auf eine Parking-Webseite von Sedo mit wechselnden Werbelinks, darunter auch solche für Mode- und Kleiderfirmen.

Der Experte François Dessemontet führt nach Ausführungen zur Parteistellung des genannten Bo Hang das Verfahren gegen den als Halter eingetragenen Gesuchsgegner durch.

Erwägungen und Entscheid

Der Experte bejaht die von der Gesuchstellerin geltend gemachten Marken- und Namensrechte und gesteht dem Konzern bzw. seiner Markenfamilie eine Stellung als berühmte Marke zu, womit sich ihr Schutzbereich wesentlich vergrössert und sich auch auf nicht beanspruchte Waren- und Dienstleistungsklassen erstreckt. Die Registrierung des Domainnamens durch den Gesuchsgegner stellt eine Markenanmassung dar und führt zu einer Verwechslungsgefahr sowie einer nicht tolerierbaren Verwässerung der Marke. Daneben sieht der Experte auch Wettbewerbs- und Firmenrecht verletzt. Er ordnet die Übertragung des Domainnamens an die Gesuchstellerin an.

Bemerkungen

Dem Entscheid ist vollkommen beizupflichten.

Wie schon bei vielen anderen Verfahren führte die zu Unrecht registrierte Internetadresse zu einer Parking-Webseite eines Domainnamen-Marktplatzes. Es wäre schön, diesen eine Pflicht zur Ablehnung von Domainnamen auferlegen zu können, wenn die Namen klar die Immaterialgüterrechte Dritter (mit einem gewissen Bekanntheitsgrad) verletzen. Damit wäre die Registrierung für die Domaingrabber sofort weniger interessant. Angesichts der jeweils vom Gesuchsteller zu tragenden Kosten für das WIPO-Schiedsgerichtsverfahren (der Schlichtungsversuch kostet 600 Franken, der Expertenentscheid immerhin 2’000 Franken) wäre eine dadurch erreichte Einschränkung der Verfahrenszahl auch im Sinne der betroffenen Unternehmen wünschenswert.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2012-0014, Entscheid vom 6. August 2012

Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/armaniexchange.ch

spital-uster.ch: Nachlässiges Spital vor Domaingrabber geschützt

Der Gesuchsteller ist der „Zweckverband Spital Uster“, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die von verschiedenen Gemeinden gegründet wurde. Der Zweckverband betreibt seit 1984 das Spital Uster und tritt auch unter diesem Namen nach aussen auf. Seit kurzem verfügt das Spital auch über eine Schweizer Marke. Die Webseite des Spitals ist seit Juni 1998 unter der Adresse www.spitaluster.ch erreichbar:

Der Gesuchsgegner ist eine Privatperson aus Czestochowa in Polen. Der eingetragene Name Jan Kowalski ist das polnische Pendant zum fiktiven Platzhalternamen Max Mustermann. Ob es sich dabei um eine tatsächlich existierende Person handelt, ist unklar. Denn um es vorwegzunehmen: Jan Kowalski wird sich – wie schon in früheren Verfahren gegen ihn – nicht melden.

Der Domainname spital-uster.ch wurde am 3. Juni 2009 registriert. Er führt zu einer Parking-Webseite mit Werbelinks.

Nach Wirrungen um die Verfahrenssprache wird das Verfahren auf Deutsch durchgeführt.

Erwägungen und Entscheid

Der Experte Jacques de Werra bejaht Kennzeichenrechte aus Namensrecht und eine Verletzung desselben. Er sieht weiter eine Verwechslungsgefahr, als Internetbenutzer bei der Verwendung eines Stadtnamens (Uster) in der Internetadresse eine Tätigkeit an diesem Ort erwarten, ähnlich dem Herkunftsprinzip bei Marken. Der Gesuchsgegner verfügt über keinerlei Rechte an der Bezeichnung „Spital Uster“ sondern profitiert viel mehr von ihrer Kennzeichnungskraft, um Besucher auf seine Webseite zu locken. Der Experte bestimmt die Ãœbertragung des Domainnamens an den Gesuchsteller.

Bemerkungen

Obwohl das Spital schon sehr früh eine eigene Internetadresse registrierte, war es nachlässig: Ich rate ständig, bei Domainnamen, die aus zwei oder mehr Worten zusammengesetzt sind, immer alle Versionen zu registrieren, d.h. mit und ohne Bindestrich und auch mit und ohne Umlaut. Auch angesichts der heutigen tiefen Preise für Domainnamen ist alles andere vollkommen fahrlässig. Ich frage mich immer wieder, ob jemand, der das nicht tut, nicht einfach seinen Anspruch verlieren sollte, die nicht registrierte Version später schiedsgerichtlich einzufordern. Zwar waren Domainnamen im Jahr 1998 noch teurer, nämlich 48 Franken pro Kalenderjahr (mit quartalsweiser Abnahme der Kosten gegen Ende Jahr hin) sowie einer einmaligen Registrierungsgebühr von 80 Franken. Trotzdem konnten kaum finanzielle Überlegungen schuld daran sein, dass die Version mit Bindestrich nicht registriert wurde.

Fraglich bleibt die Gewährung des Namensschutzes für die Geschäftsbezeichnung „Spital Uster“, die genausowenig wie der Name des Zweckverbands in keinem öffentlichen Register auftaucht. Eigentlich beschränkt sich deren Schutz auf den begrenzten örtliche Geschäftsbereich des Spitals. Dieser Punkt hätte vom Experten durchaus detaillierter abgehandelt werden dürfen.

Frühere Verfahren gegen Jan Kowalski bzw. Jan Kowal betrafen die Domainnamen aldi-ferien.ch (siehe auch meine Besprechung), luzerner-kantonalbank.ch, thurgau-travel.ch und nab-home.ch. Es scheint finanziell attraktiv zu sein, Domainnamen zu registrieren und darauf Werbung zu schalten, bis sie vom besser Berechtigten zurückgefordert werden. Eine eigentliche Gefahr für Internetnutzer geht dabei vor allem im Falle von Phishingversuchen mit Bank-Domainnamen aus (wie im zweiten und letztgenannten Fall; NAB = Neue Aargauer Bank). Insofern stellt sich die Frage, ob beim Registrieren von Domainnamen nicht doch auch eine – zumindest rudimentäre – materielle Prüfung sinnvoll wäre.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2012-0013, Entscheid vom 23. Juli 2012

Siehe auch diesen Zeitungsartikel: Ein Bindestrich für 2600 Franken, Anzeiger von Uster vom 30. August 2012

Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/spital-uster.ch

badscout24.ch: Badewannen-Händler übernimmt sich

Die Gesuchstellerin, die Scout24-Gruppe, betreibt in ganz Europa diverse bekannte Webseiten zur Vermittlung von u.a. Autos, Immobilien/Wohnungen, Stellen oder Bekanntschaften. Diese Internetauftritte sind mit dem „scout24“-Zusatz präsent, der auch als Schweizer Marken sowie als europäische Marken mit Schutzausdehnung auf die Schweiz geschützt ist. Konkret treten die Scout24 Holding GmbH, München, und die Scout24 International Management AG, Baar, auf.

Der Gesuchsgegner Roland Hirschi ist eine Privatperson mit Wohnsitz in Basel. Er scheint zwischen 2004 und 2011 an der Reinacherstrasse in Basel sowie im Internet ein Geschäft für Badeinrichtung betrieben zu haben. Daneben versuchte er unter der Internetadresse www.speckschwarte.ch (nicht mehr online) eine Plattform für Sterneköche und Gourmets aufzubauen. Ferner sind oder eher waren aufgrund einer gemeinsamen Fax-Nummer Verbindungen zur Firma Pesocom GmbH (Veranstaltungstechnik), welche in der Zwischenzeit von einer luzernischen Aktiengesellschaft übernommen wurde, vorhanden gewesen.

Der Domainname badscout24.ch wurde am 29. Juni 2009 registriert und auf die Webseite des Gesuchsgegners umgeleitet, welche damals unter www.badewelt.ch zu finden war (dieser Domainname gehört in der Zwischenzeit einer Drittperson), heute unter www.badcenter.ch bzw. www.construmat.ch. Dort werden – die Expertin Theda König Horowicz fasst dies schön zusammen – verschiedenste Badewannen und Dampfkabinen angeboten sowie Badtipps erteilt.

Vor dem Einreichen des Gesuchs hatte die Gesuchstellerin den Gesuchsgegner mehrfach abgemahnt. Dieser antwortete Ende Februar 2012, er hätte den Domainnamen für eine Kundenauswahl registriert, noch nie benutzt, und wäre bereit, über ein Angebot zu verhandeln.

Kurz nach Einreichen des Gesuchs bei der WIPO wollte der Gesuchsgegner den Domainnamen löschen lassen und teilte dies auch im Verfahren mit. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Domainvergabestelle SWITCH diesen jedoch bereits blockiert. Diese Meldung blieb die einzige Reaktion des Gesuchsgegners; er verzichtete darauf, eine Gesuchserwiderung einzureichen.

Erwägungen und Entscheid

Die Internetpräsenz der Gesuchstellerin und ihre diversen älteren Markenrechte SCOUT24 und mit Bestandteil Scout stehen zweifelsfrei fest. Negativ für den Gesuchsgegner wirkt sich aus, dass die Marken auch für Wasserleitungsgeräte und sanitäre Anlagen sowie die Vermittlung derselben Schutz beanspruchen. Damit besteht auch eine unmittelbare Verwechslungsgefahr und somit eine klare Verletzung der Markenrechte der Gesuchstellerin. Rechte des Gesuchsgegners sind keine ersichtlich. Die Expertin gibt dem Gesuch daher statt und verfügt die Übertragung des Domainnamens an die Gesuchstellerin.

Bemerkungen

Dieser Entscheid war vollkommen vorhersehbar. Dem Gesuchsgegner muss bereits bei der Registrierung des Domainnamens klar gewesen sein, dass er mit diesem die Markenrechte der Scout24-Gruppe verletzt. Wieso er ihn trotzdem registrierte und auch obwohl er bereits über mehrere aussagekräftige Domainnamen verfügte, ist unbegreiflich.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2012-0010, Entscheid vom 12. Juli 2012

Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/badscout24.ch