Der Gesuchsteller, das Eidgenössische Departement des Innern (EDI), teilt durch sein Bundesamt für Statistik (BFS) Unternehmens-Identifikationsnummern (UID) zu und betreibt das UID-Register. Diese Nummern ermöglichen es den Unternehmen, sich bei allen Behördenkontakten zu identifizieren, was die Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung einfacher und effizienter macht. Der Eintrag im offiziellen UID-Register des BFS ist kostenlos. Das EDI verfügt weder über eine Marke, Firma oder ein sonstiges Kennzeichenrecht am Begriff „UID“.
Der Gesuchsgegner ist gemäss eigenen Angaben das „Schweizer Zentralregister der Unternehmens-Identifikationen“ in Bern. Diese „Vereinigung“ ist jedoch weder im Handelsregister noch im Telefonbuch eingetragen – auch nicht in der eigenen Datenbank – und verfügt über kein rechtsgültiges Impressum. Es muss davon ausgegangen werden, dass es von Sandro Müller mit einer Postfachadresse in Glattbrugg betrieben wird, der im SWITCH-Eintrag als Kontaktperson genannt wird und der den Gesuchsgegner vertritt. Herr Müller ist das, was man einen Registerhai nennen würde. Er verschickte zahlreichen Unternehmen Rechnungen über 55 Franken für die „Qualifikation“ im vermeintlich offiziellen UID-Register. Das BFS warnte in einer Medienmitteilung vor seinen irreführenden Machenschaften und beschloss, rechtliche Schritte einzuleiten.
Der Domainname uid-register.ch wurde am 22. Juli 2011 registriert. Er führt zur Webseite des Gesuchsgegners, die gemäss den dortigen Angaben „mehrere 1’000 Besucher pro Tag“ aufweist. Wie viele davon irrtümlich hier landen, lässt sich nicht herausfinden.
Nach der erfolglosen Schlichtungsverhandlung wurde das Verfahren fortgesetzt. Ob zuvor der Bund den Kontakt mit dem Gesuchsgegner gesucht hatte, ist unklar.
Erwägungen und Entscheid
Gemäss der Zusammenfassung des Experten Tobias Zuberbühler macht der Bund geltend:
„Der Name ‚UID-Register‘ wie auch ‚UID‘ selbst gehören nach Sinn und Zweck des Bundesgesetzes über die Unternehmens-Identifikationsnummer (UIDG) der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dürfen nicht unrechtmässig von Dritten verwendet werden. Die Verwendung der bundesgesetzlich der Eidgenossenschaft zugeordneten Begriffe ‚UID‘ bzw. ‚UID-Register‘ durch den Gesuchsgegner stellt eine unrechtmässige Verwendung dar, die gegen Treu und Glauben verstösst und die Gefahr von Verwechslungen begründet. In der Tat haben sich zahlreiche Unternehmen und Personen an das BFS, die ESTV und/oder an den Konsumentenschutz gerichtet, da das Schreiben des Gesuchsgegners bei ihnen grosse Unsicherheit ausgelöst hat. Der streitige Domainname ist somit an den gesetzlich bestimmten und rechtmässigen Betreiber des UID-Registers, das BFS, zu übertragen.“
Der Gesuchsgegner beruft sich darauf, dass die Buchstaben „uid“ für verschiedene Abkürzungen steht und der Wortlaut „uid-register“ nicht geschützt sei. Zudem bestehe keine Verwechslungsgefahr, da sich das Portal des Gesuchsgegners wesentlich von allen Internetseiten des BFS unterscheide.
Tatsächlich verfügt der Bund weder über einen Unternehmensnamen oder eine Marke, welche die Buchstabenfolge „UID“ enthält, und er heisst auch nicht so. Er verfügt damit über kein ausdrückliches Kennzeichenrecht. Der Experte füllt diese Lücke, indem er einen Bundesgerichtsentscheid aus dem Jahr 2000 zitiert (berneroberland.ch). In diesem schreibt das Bundesgericht Domainnamen eine Kennzeichnungsfunktion (jedoch kein Kennzeichenrecht) zu. Er folgert, dass der Bund „als Inhaber des Domainnamens uid.ch schweizerische Kennzeichenrechte nach den Bestimmungen des UWG geltend machen“ kann.
Der Experte ist der Auffassung, dass die Aufmachung der Webseite und die Geschäftsbezeichnung des Gesuchsgegners als „Schweizer Zentralregister der Unternehmens-Identifikationsnummern“ darauf abziele, sich als offizielles UID-Register des Bundes auszugeben. Es handle sich hier um eine „allgemein bekannte ‚Masche‘ (…), um leichtgläubigen Konsumenten Geld aus der Tasche zu ziehen für einen Dienst, den sie auch gratis haben könnten“. Viele Besucher liessen sich denn auch bereits davon täuschen. Der Experte sieht darin ein unlauteres Verhalten nach den Art. 2 und 3 Abs. 1 lit. b UWG. Da der Gesuchsgegner keine schlüssigen Verteidigungsgründe vorgebracht hat, um die Darstellungen des Gesuchstellers zu widerlegen oder ein eigenes legitimes Interesse zu begründen, beschliesst er die Ãœbertragung des Domainnamens an den Gesuchsteller.
Bemerkungen
Rein rechtlich gesehen ist der vorliegende Entscheid zweifelhaft.
1. Gemäss Ziffer 24 lit. c des Verfahrensreglements für Streitbeilegungsverfahren für .ch und .li Domain-Namen gibt der Experte dem Gesuch statt, wenn die Registrierung oder Verwendung des Domain-Namens eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts darstellt, das dem Gesuchsteller nach dem Recht der Schweiz oder Liechtensteins zusteht. Wie angedeutet fehlt vorliegend jedoch ein eigentliches Kennzeichenrecht, da weder ein Name, eine Firma oder eine Marke existiert. Dass der Besitz eines Domainnamens derartige Abwehrrechte verleiht, ist angesichts von heute 1.8 Millionen .ch-Domainnamen, die sich alle zwangsläufig sehr ähnlich sind, abzulehnen. Dies würde auch Sinn und Zweck eines öffentlichen Markenregisters und von Markenanmeldungen untergraben. Dass hier einzig wegen eines Domainnamens ein Kennzeichenrecht bejaht wird, während in einem anderen WIPO-Verfahren kein Kennzeichen anerkannt wurde, obwohl beim Streit unter Hundezüchtern der Gesuchsteller einen FCI-Zwingernamen eingetragen hatte und die missbräuchliche Registrierung offensichtlicher war als im vorliegenden Fall, ist nicht nachvollziehbar und hätte eine eingehendere Begründung als die vorliegende nötig gemacht.
2. Kann sich das Bundesamt auf das UWG berufen? Der Experte verwies bezüglich der Aktivlegitimation bzw. Klageberechtigung des Bundes richtigerweise auf Art. 10 Abs. 3 lit. b UWG. Dann hätte sich der Bund aber eigentlich durch das SECO (WBF) vertreten lassen müssen (Art. 1 Abs. 1 der Verordnung über das Klagerecht des Bundes im Rahmen des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb), wobei ausnahmsweise auch andere Amtsstellen im Einvernehmen mit dem SECO als Partei auftreten können. Wir gehen davon aus, dass dies hier erfolgte, auch wenn es nicht erwähnt wird.
3. Auch die Verwechslungsgefahr ist meines Erachtens nicht so stark, wie der Bund hier glauben lässt. Es ist allgemein bekannt, dass Webseiten des Bundes und von Bundesstellen mit dem Zusatz „admin.ch“ zu finden sind, also bspw. das BFS unter www.bfs.admin.ch. Dank dem Zusatz sind die Webseiten klar dem Bund zuordbar, oder umgekehrt: Ohne Zusatz ist davon auszugehen, dass es sich nicht um ein Angebot der Schweizerischen Eidgenossenschaft handelt. Tatsächlich werden auch Besucher von www.uid.ch auf eine andere Internetadresse umgeleitet, welche den Zusatz „admin.ch“ enthält. Dort ist zu lesen, dass sich das UID-Register unter www.uid.admin.ch befindet, also wiederum eine Adresse mit dem admin.ch-Zusatz.
4. Dass sich Konsumenten wegen dem Gesuchsgegner an den Konsumentenschutz wenden, ist unwahrscheinlich. Unternehmens-Identifikationsnummern werden ausschliesslich an Unternehmen vergeben. Die über die Plattform des Gesuchsgegners gefundenen Informationen scheinen soweit korrekt, womit eine suchende Privatperson – ein Konsument – das findet, wonach sie sucht. Bei der allfälligen Täuschung eines Unternehmens handelt es sich nicht um einen Fall für den Konsumentenschutz.
5. Der Experte erkennt die Täuschungsgefahr im Wort „Schweizer“ im Namen der Vereinigung. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Kennzeichnung, die den Bundesbehörden vorbehalten sind, sondern klassifiziert die geographische Ausbreitung des Angebots. Sonst würden sich automatisch Vereinigungen oder Verbände wie der Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband SBVV, der Schweizer Fleisch-Fachverband SFF, der Schweizer Hotelier-Verein SHV und viele weitere mit ihren Namen in einem rechtlichen Graubereich befinden. Unvorstellbar.
6. Die WIPO ist sicher nicht die richtige Behörde, um das zwielichte Geschäftsgebahren des Registerhais zu beurteilen, das auch ich nicht gutheisse – sie prüft in ihren Verfahren ja nicht einmal die Frage der Verjährung oder Verwirkung. Das EDI hätte die Legalität dieses inoffiziellen UID-Registers durch ein staatliches Gericht überprüfen lassen müssen, nämlich durch das Handelsgericht des Kantons Bern (Art. 5 Abs. 1 lit. d ZPO).
7. Ich bin überrascht, dass das Bundesamt das WIPO-Verfahren angestrebt hat, ohne über irgendwelche (eingetragenen) Kennzeichenrechte zu verfügen. Meiner Meinung nach war es auch sonst erstaunlich unvorbereitet. Denn der beklagte Domainname uid-register.ch stellt nur einer von vielen Domainnamen dar, unter denen das Portal des Gesuchsgegners erreichbar ist. Die weiteren sind:
- uidregister.ch
- chuid.ch
- uid-check.ch
- uidcheck.ch
- uid-profil.ch
- uidprofil.ch
- uid-schweiz.ch
- uidschweiz.ch
- uid-search.ch
- uidsearch.ch
- uid-suche.ch
- uidsuche.ch
- uid24.ch
Dass diese nicht ebenfalls Gegenstand des Verfahrens sind, kann nur damit erklärt werden, dass das EDI dies weder gewusst noch sich um diese Informationen bemüht hatte. Schockierend.
Fazit: Meines Erachtens hätte der Bund als Gesuchsteller rein rechtlich mit seinem Gesuch unterliegen müssen. Es scheint sich vorliegend um einen politischen Entscheid zu handeln, zu dem die nötige umfassende Begründung fehlt.
WIPO-Verfahren Nr. DCH2013-0006, Entscheid vom 21. August 2013.
Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/uid-register.ch
Verfasst in der Kategorie: WIPO Schiedsgerichtsentscheide von Thomas Schneider am 3. September 2013
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