goldscout24.ch: Ein Goldhändler auf Abwegen

Die Gesuchstellerin, die Scout24-Gruppe, betreibt in ganz Europa diverse bekannte Webseiten zur Vermittlung von u.a. Autos, Immobilien/Wohnungen, Stellen oder Bekanntschaften. Diese Internetauftritte sind mit dem “scout24″-Zusatz präsent, der auch als Schweizer Marken (z.B. Friend Scout, im 2008 hinterlegt) sowie als europäische Marken mit Schutzausdehnung auf die Schweiz geschützt ist. Konkret treten die Scout24 Holding GmbH, München, und die Scout24 International Management AG, Baar, auf.

Der Gesuchsgegner ist das Einzelunternehmen goldboerse Pierre Seker in Arisdorf. Herr Seker ist mit seiner Goldboerse.ch schon seit über 15 Jahren tätig und schnitt in einem Kassensturz-Vergleich bezüglich Goldankauf als Testsieger ab.

Der Domainname goldscout24.ch wurde am 17. November 2008 registriert. Besucher werden bzw. wurden auf die Webseite des Gesuchsgegners umgeleitet.

goldscout24.ch

Der Gesuchsgegner hat nicht geantwortet. Der Experte Lorenz Ehrler stützt sich daher auf die Aussagen und insbesondere die umfangreichen Beweismittel der Gesuchstellerin. Seine Ausführungen lesen sich wie ein Lehrbuchbeispiel zum Markenrecht.

Erwägungen und Entscheid

Die Ähnlichkeit zwischen der Marke Scout24 der Gesuchstellerin und dem fraglichen Domainnamen ist unbestritten, da die Marke in diesem enthalten ist und dem verbleibenden Zusatz „gold“ eine bloss beschreibende Funktion zukommt, die keine Unterscheidungskraft zu schaffen vermag. Die von der Gesuchstellerin eingereichten Resultate einer Meinungsumfrage belegen den hohen Bekanntheitsgrad der Hautpmarke und der Submarken AutoScout24, ImmoScout24 und JobScout24, was den Schutzumfang als berühmte Marke nochmals erhöht. Aufgrund seiner Struktur würde der Domainname gut in diese Reihe passen.

Aber auch ohne die Annahme der Berühmtheit der Marke besteht eine Gleichartigkeit der beanspruchten Dienstleistungen; zwar nicht für den Ankauf, aber für den Verkauf von Altgold und Edelmetallen. So umfasst die Marke der Gesuchstellerin die „Vermittlung von Verträgen über Anschaffung und Veräusserung von Waren“, wovon auch der Goldverkauf auf Kommissionsbasis erfasst ist.

Aufgrund der eindeutigen Markenverletzung und dem Fehlen von relevanten Verteidigungsgründen beschliesst der Experte die Übertragung des Domainnamens auf die Gesuchstellerin.

Bemerkungen

Gegen diesen Entscheid ist überhaupt nichts einzuwenden – im Gegenteil. Bei solch klaren Markenverletzungen wären auch weniger detailliertere Begründungen oder abgekürzte Verfahren denkbar. Zurzeit sind noch sehr viele Domainnamen mit dem Zusatz „scout24.ch“ von Dritten registriert. Ob sie alle davon ausgehen, dass es sich dabei um einen erlaubten Zusatz handelt, der den eigenen Namen aufwertet, wie es in den 90er-Jahren mit „Mc…“ von McDonald’s der Fall war (McBaby, McOptik)? Hier hat die Gesuchstellerin noch einiges vor sich – die WIPO-Schlichtungsverfahren für die nächsten Jahre sind gesichert!

WIPO-Verfahren Nr. DCH2013-0011, Entscheid vom 3. September 2013.

Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/goldscout24.ch

uid-register.ch: Ãœberraschender Sieg des EDI gegen Registerhai – ein politischer Entscheid?

Der Gesuchsteller, das Eidgenössische Departement des Innern (EDI), teilt durch sein Bundesamt für Statistik (BFS) Unternehmens-Identifikationsnummern (UID) zu und betreibt das UID-Register. Diese Nummern ermöglichen es den Unternehmen, sich bei allen Behördenkontakten zu identifizieren, was die Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung einfacher und effizienter macht. Der Eintrag im offiziellen UID-Register des BFS ist kostenlos. Das EDI verfügt weder über eine Marke, Firma oder ein sonstiges Kennzeichenrecht am Begriff „UID“.

Der Gesuchsgegner ist gemäss eigenen Angaben das „Schweizer Zentralregister der Unternehmens-Identifikationen“ in Bern. Diese „Vereinigung“ ist jedoch weder im Handelsregister noch im Telefonbuch eingetragen – auch nicht in der eigenen Datenbank – und verfügt über kein rechtsgültiges Impressum. Es muss davon ausgegangen werden, dass es von Sandro Müller mit einer Postfachadresse in Glattbrugg betrieben wird, der im SWITCH-Eintrag als Kontaktperson genannt wird und der den Gesuchsgegner vertritt. Herr Müller ist das, was man einen Registerhai nennen würde. Er verschickte zahlreichen Unternehmen Rechnungen über 55 Franken für die „Qualifikation“ im vermeintlich offiziellen UID-Register. Das BFS warnte in einer Medienmitteilung vor seinen irreführenden Machenschaften und beschloss, rechtliche Schritte einzuleiten.

Der Domainname uid-register.ch wurde am 22. Juli 2011 registriert. Er führt zur Webseite des Gesuchsgegners, die gemäss den dortigen Angaben „mehrere 1’000 Besucher pro Tag“ aufweist. Wie viele davon irrtümlich hier landen, lässt sich nicht herausfinden.

uid-register.ch

Nach der erfolglosen Schlichtungsverhandlung wurde das Verfahren fortgesetzt. Ob zuvor der Bund den Kontakt mit dem Gesuchsgegner gesucht hatte, ist unklar.

Erwägungen und Entscheid

Gemäss der Zusammenfassung des Experten Tobias Zuberbühler macht der Bund geltend:

„Der Name ‚UID-Register‘ wie auch ‚UID‘ selbst gehören nach Sinn und Zweck des Bundesgesetzes über die Unternehmens-Identifikationsnummer (UIDG) der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dürfen nicht unrechtmässig von Dritten verwendet werden. Die Verwendung der bundesgesetzlich der Eidgenossenschaft zugeordneten Begriffe ‚UID‘ bzw. ‚UID-Register‘ durch den Gesuchsgegner stellt eine unrechtmässige Verwendung dar, die gegen Treu und Glauben verstösst und die Gefahr von Verwechslungen begründet. In der Tat haben sich zahlreiche Unternehmen und Personen an das BFS, die ESTV und/oder an den Konsumentenschutz gerichtet, da das Schreiben des Gesuchsgegners bei ihnen grosse Unsicherheit ausgelöst hat. Der streitige Domainname ist somit an den gesetzlich bestimmten und rechtmässigen Betreiber des UID-Registers, das BFS, zu übertragen.“

Der Gesuchsgegner beruft sich darauf, dass die Buchstaben „uid“ für verschiedene Abkürzungen steht und der Wortlaut „uid-register“ nicht geschützt sei. Zudem bestehe keine Verwechslungsgefahr, da sich das Portal des Gesuchsgegners wesentlich von allen Internetseiten des BFS unterscheide.

Tatsächlich verfügt der Bund weder über einen Unternehmensnamen oder eine Marke, welche die Buchstabenfolge „UID“ enthält, und er heisst auch nicht so. Er verfügt damit über kein ausdrückliches Kennzeichenrecht. Der Experte füllt diese Lücke, indem er einen Bundesgerichtsentscheid aus dem Jahr 2000 zitiert (berneroberland.ch). In diesem schreibt das Bundesgericht Domainnamen eine Kennzeichnungsfunktion (jedoch kein Kennzeichenrecht) zu. Er folgert, dass der Bund „als Inhaber des Domainnamens uid.ch schweizerische Kennzeichenrechte nach den Bestimmungen des UWG geltend machen“ kann.

Der Experte ist der Auffassung, dass die Aufmachung der Webseite und die Geschäftsbezeichnung des Gesuchsgegners als „Schweizer Zentralregister der Unternehmens-Identifikationsnummern“ darauf abziele, sich als offizielles UID-Register des Bundes auszugeben. Es handle sich hier um eine „allgemein bekannte ‚Masche‘ (…), um leichtgläubigen Konsumenten Geld aus der Tasche zu ziehen für einen Dienst, den sie auch gratis haben könnten“. Viele Besucher liessen sich denn auch bereits davon täuschen. Der Experte sieht darin ein unlauteres Verhalten nach den Art. 2 und 3 Abs. 1 lit. b UWG. Da der Gesuchsgegner keine schlüssigen Verteidigungsgründe vorgebracht hat, um die Darstellungen des Gesuchstellers zu widerlegen oder ein eigenes legitimes Interesse zu begründen, beschliesst er die Ãœbertragung des Domainnamens an den Gesuchsteller.

Bemerkungen

Rein rechtlich gesehen ist der vorliegende Entscheid zweifelhaft.

1. Gemäss Ziffer 24 lit. c des Verfahrensreglements für Streitbeilegungsverfahren für .ch und .li Domain-Namen gibt der Experte dem Gesuch statt, wenn die Registrierung oder Verwendung des Domain-Namens eine klare Verletzung eines Kennzeichenrechts darstellt, das dem Gesuchsteller nach dem Recht der Schweiz oder Liechtensteins zusteht. Wie angedeutet fehlt vorliegend jedoch ein eigentliches Kennzeichenrecht, da weder ein Name, eine Firma oder eine Marke existiert. Dass der Besitz eines Domainnamens derartige Abwehrrechte verleiht, ist angesichts von heute 1.8 Millionen .ch-Domainnamen, die sich alle zwangsläufig sehr ähnlich sind, abzulehnen. Dies würde auch Sinn und Zweck eines öffentlichen Markenregisters und von Markenanmeldungen untergraben. Dass hier einzig wegen eines Domainnamens ein Kennzeichenrecht bejaht wird, während in einem anderen WIPO-Verfahren kein Kennzeichen anerkannt wurde, obwohl beim Streit unter Hundezüchtern der Gesuchsteller einen FCI-Zwingernamen eingetragen hatte und die missbräuchliche Registrierung offensichtlicher war als im vorliegenden Fall, ist nicht nachvollziehbar und hätte eine eingehendere Begründung als die vorliegende nötig gemacht.

2. Kann sich das Bundesamt auf das UWG berufen? Der Experte verwies bezüglich der Aktivlegitimation bzw. Klageberechtigung des Bundes richtigerweise auf Art. 10 Abs. 3 lit. b UWG. Dann hätte sich der Bund aber eigentlich durch das SECO (WBF) vertreten lassen müssen (Art. 1 Abs. 1 der Verordnung über das Klagerecht des Bundes im Rahmen des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb), wobei ausnahmsweise auch andere Amtsstellen im Einvernehmen mit dem SECO als Partei auftreten können. Wir gehen davon aus, dass dies hier erfolgte, auch wenn es nicht erwähnt wird.

3. Auch die Verwechslungsgefahr ist meines Erachtens nicht so stark, wie der Bund hier glauben lässt. Es ist allgemein bekannt, dass Webseiten des Bundes und von Bundesstellen mit dem Zusatz „admin.ch“ zu finden sind, also bspw. das BFS unter www.bfs.admin.ch. Dank dem Zusatz sind die Webseiten klar dem Bund zuordbar, oder umgekehrt: Ohne Zusatz ist davon auszugehen, dass es sich nicht um ein Angebot der Schweizerischen Eidgenossenschaft handelt. Tatsächlich werden auch Besucher von www.uid.ch auf eine andere Internetadresse umgeleitet, welche den Zusatz „admin.ch“ enthält. Dort ist zu lesen, dass sich das UID-Register unter www.uid.admin.ch befindet, also wiederum eine Adresse mit dem admin.ch-Zusatz.

4. Dass sich Konsumenten wegen dem Gesuchsgegner an den Konsumentenschutz wenden, ist unwahrscheinlich. Unternehmens-Identifikationsnummern werden ausschliesslich an Unternehmen vergeben. Die über die Plattform des Gesuchsgegners gefundenen Informationen scheinen soweit korrekt, womit eine suchende Privatperson – ein Konsument – das findet, wonach sie sucht. Bei der allfälligen Täuschung eines Unternehmens handelt es sich nicht um einen Fall für den Konsumentenschutz.

5. Der Experte erkennt die Täuschungsgefahr im Wort „Schweizer“ im Namen der Vereinigung. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Kennzeichnung, die den Bundesbehörden vorbehalten sind, sondern klassifiziert die geographische Ausbreitung des Angebots. Sonst würden sich automatisch Vereinigungen oder Verbände wie der Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband SBVV, der Schweizer Fleisch-Fachverband SFF, der Schweizer Hotelier-Verein SHV und viele weitere mit ihren Namen in einem rechtlichen Graubereich befinden. Unvorstellbar.

6. Die WIPO ist sicher nicht die richtige Behörde, um das zwielichte Geschäftsgebahren des Registerhais zu beurteilen, das auch ich nicht gutheisse – sie prüft in ihren Verfahren ja nicht einmal die Frage der Verjährung oder Verwirkung. Das EDI hätte die Legalität dieses inoffiziellen UID-Registers durch ein staatliches Gericht überprüfen lassen müssen, nämlich durch das Handelsgericht des Kantons Bern (Art. 5 Abs. 1 lit. d ZPO).

7. Ich bin überrascht, dass das Bundesamt das WIPO-Verfahren angestrebt hat, ohne über irgendwelche (eingetragenen) Kennzeichenrechte zu verfügen. Meiner Meinung nach war es auch sonst erstaunlich unvorbereitet. Denn der beklagte Domainname uid-register.ch stellt nur einer von vielen Domainnamen dar, unter denen das Portal des Gesuchsgegners erreichbar ist. Die weiteren sind:

  • uidregister.ch
  • chuid.ch
  • uid-check.ch
  • uidcheck.ch
  • uid-profil.ch
  • uidprofil.ch
  • uid-schweiz.ch
  • uidschweiz.ch
  • uid-search.ch
  • uidsearch.ch
  • uid-suche.ch
  • uidsuche.ch
  • uid24.ch

Dass diese nicht ebenfalls Gegenstand des Verfahrens sind, kann nur damit erklärt werden, dass das EDI dies weder gewusst noch sich um diese Informationen bemüht hatte. Schockierend.

Fazit: Meines Erachtens hätte der Bund als Gesuchsteller rein rechtlich mit seinem Gesuch unterliegen müssen. Es scheint sich vorliegend um einen politischen Entscheid zu handeln, zu dem die nötige umfassende Begründung fehlt.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2013-0006, Entscheid vom 21. August 2013.

Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/uid-register.ch