Frei gewordene Domainnamen finden dank @wiederfrei

Weshalb werden Domainnamen wieder frei? Vermutlich sind es gleichermassen Privatpersonen wie Domainnamenhändler, die ihre registrierten Internetadressen aufgeben. Sei es, weil aus dem geplanten Web-Projekt doch nichts geworden ist, es seinen Zweck erfĂĽllt hat oder sich der Domainname trotz aller BemĂĽhungen nicht verkaufen lässt und jetzt das Portemonnaie belastet. Zwar kostet ein einzelner .ch-Domainname nicht viel (17 Franken pro Jahr bei SWITCH, gĂĽnstiger bei Partnerfirmen), doch die Menge macht’s. Und auch diese Branche spĂĽrt die wirtschaftlich schlechten Zeiten. Die Statistik von SWITCH bestätigt: Die Zunahme von .ch-Domainnamen ist rĂĽckläufig.

Frei gewordene Domainnamen freuen Dritte. Denn bei gut 1.77 Millionen registrierten .ch-Domainnamen bleibt kaum Platz für neue, gute Domainnamen. Während frei gewordene Domainnamen früher sofort in die Hände von Domainhändlern fielen, die auf das grosse Geld mit versehentlich gelöschten Domainnamen hofften, bleiben frei gewordene Domainnamen heute wirklich frei und können von jedermann registriert werden.

Dank dem Twitter-Konto @wiederfrei weiss man jetzt auch, welche .ch-Domainnamen gerade frei geworden sind. Und das ist eine ganze Menge! Ăśber 36’000 Tweets (= 36’000 frei gewordene Domainnamen) hat „Wieder Frei“ bereits abgesetzt, knapp 100 kommen täglich hinzu. Einige davon hätten durchaus das Potenzial, bekannt zu werden. Hier ist viel Selbstdisziplin gefragt, um nicht gleich zuzuschlagen!

@wiederfrei

Wer hinter dem Twitter-Konto steckt, ist nicht bekannt. „Die Daten sind eigentlich geheim“, meint Blick-Reporter Thomas Benkö, der auf das Twitter-Konto aufmerksam machte. Weshalb das so sein soll, ist mir nicht bekannt. Schliesslich sind die Registrierungsdaten in der SWITCH-Datenbank öffentlich. Frei gewordene Domainnamen sind lediglich nicht einfach auffindbar. Oder besser gesagt: Sie waren nicht einfach auffindbar.

honeywell.ch: Konzern will Domainname erst, als ein anderer ihn registriert

Die Gesuchstellerin Honeywell International Inc. ist ein internationaler Konzern mit Schweizer Wurzeln und Sitz in Morristown, New Jersey, USA. Honeywell ist in die vier Bereiche Luftfahrt- und Raumfahrt (Flugzeugteile, Triebwerke etc.), Spezialchemikalien (Chemikalien für pharmazeutische Betriebe, Spezialfolien), Transportsysteme (Fahrzeugelektronik) sowie Automatisierungs- und Steuerungstechnik (Haustechnik- und Klimageräte) unterteilt. Das Unternehmen verfügt über mehrere Schweizer Niederlassungen sowie über drei Wortmarken, von denen die älteste im Jahr 1985 hinterlegt wurde.

Der Gesuchsgegner Reinhard Herrmann bzw. DomDoo Domainholding aus Abidjan, Elfenbeinküste, ist ein professioneller Domainnamenhändler. Er hat zahlreiche Domainnamen registriert, von denen viele Kennzeichenrechte Dritter verletzen. Interessanterweise versucht DomDoo nicht einmal, dies zu verbergen, sondern führt viele dieser Domainnamen in einem Blog auf, in dem sie die betroffenen Unternehmen kurz vorstellt.

Der Domainname honeywell.ch wurde am 24. März 2012 registriert. Er fĂĽhrt zu einer Parking-Webseite mit bezahlten Links, auf der er fĂĽr USD 1’599.— bzw. EUR 1’199.— zum Verkauf angeboten wird.

honeywell.ch

Der Gesuchsgegner reicht keine Erwiderung ein.

Erwägungen und Entscheid

Die Expertin Theda Köniz Horowicz macht kurzen Prozess. Aufgrund der identischen, älteren Marken der Gesuchstellerin und für sie ausreichenden Hinweisen einer Wettbewerbsverletzung (die Links auf der Parking-Webseite bieten ähnliche Dienstleistungen an wie die Gesuchstellerin sowie das Verkaufsangebot) entscheidet sie auf Übertragung des Domainnamens.

Bemerkungen

Es verwundert doch sehr, dass ein weltweit tätiger Konzern seinen Namen zwar mit mehreren Schweizer Marken schĂĽtzt, aber bis ins Jahr 2012 nicht auch als Schweizer Domainname besitzt hat, und diesen erst haben will, nachdem ihn ein anderer registriert hatte. Dies ist entweder ein Fall von sehr schlechter Beratung in Sachen Domainnamen, oder von „am falschen Ort gespart“. Mit dem Geld, das die Gesuchstellerin fĂĽr das WIPO-Verfahren ausgeben musste, hätte sie die JahresgebĂĽhren während ĂĽber 100 Jahren bezahlen können.

Auch wenn ich das Verhalten von Domainhändlern missbillige: Bei der Nichtregistrierung eines Domainnamens selbst rund 15-20 Jahre nach dem Aufkommen des Domainnamensystems in der Schweiz stellt sich mir trotzdem immer die Frage, ob das Unternehmen durch diesen offensichtlichen Verzicht auf den Domainnamen seinen Anspruch verlieren müsste. Im WIPO-Verfahren wird diese Thematik jedoch – wie auch die Frage der Verjährung eines Anspruchs nach langer Duldung der Registrierung durch einen Dritten – nicht geprüft. Ich warte bisher leider vergeblich darauf, dass ein Gesuchsgegner dieses Argument zuerst hier und später in einem staatlichen Gerichtsverfahren geltend macht.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2013-0002, Entscheid vom 8. April 2013.

Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/honeywell.ch

 

ameropa-ag.ch: Rohstoffhändler vom Firmenrecht gerettet

Die Gesuchstellerin Ameropa AG aus Binningen ist ein international tätiger Rohstoffhandelskonzern mit knapp 5’000 Mitarbeitern, der primär auf DĂĽngemittel und Getreide spezialisiert ist, aber auch mit petrochemischen Produkten und Metallen handelt. Aus dem im Jahr 1948 gegrĂĽndeten Unternehmen wurde 1994 eine Aktiengesellschaft.

Der Gesuchsgegner Eugene Maslyanitsin, eine Privatperson aus Kostroma in Russland, ist bisher nicht im Zusammenhang mit Domainnamen in Erscheinung getreten. Ăśber ihn ist nichts bekannt.

Der Domainname ameropa-ag.ch wurde vermutlich im Jahr 2012 registriert, was vom Experten Philippe Gilliéron leider nicht erwähnt wird. Im parallelen Verfahren um ameropa-ag.com (D2013-0095) mit denselben Parteien wird erwähnt, dass dieser am 24. April 2012 registriert wurde. Beide vermutlich gleichzeitig registrierten Domainnamen führen zu einer Webseite, die der Ameropa-Webseite nachgebildet ist und die mutmassliche Medienberichte über das Unternehmen und seine Verwaltungsräte enthält.

ameropa-ag.ch

Der Gesuchsgegner hat keine Gesuchserwiderung eingereicht.

Erwägungen und Entscheid

Der Domainname ist mit der Firma der Gesuchstellerin identisch. Ausser dem Firmenrecht ist die Gesuchstellerin auch durch das Wettbewerbsrecht geschützt, nämlich nach Art. 3 Abs. 1 Bst. b und d UWG gegen die irreführenden Angaben sowie die Schaffung einer Verwechslungsgefahr. Eine mögliche eigene Berechtigung des Gesuchsgegners am Domainnamen ist nicht ersichtlich. Der Experte beschliesst damit die Übertragung des Domainnamens auf die Gesuchstellerin. Im separaten Verfahren wurde ihr auch der .com-Domainname zugesprochen.

Bemerkungen

Das Fehlen einer Marke stellt im Verfahren um den .com-Domainnamen ein grösseres Problem dar als beim Schweizer Domainnamen. Denn während hierzulande jegliche Immaterialgüterrechte geltend gemacht werden können, konzentriert sich das Verfahren um .com-Domainnamen auf Markenrechte. Jedoch geniessen im angelsächsischen Raum auch unregistrierte Warenmarken (mit ™ gekennzeichnet) einen gewissen Rechtsschutz, wobei der Gesuchsteller nachweisen muss, dass das Zeichen klar unterscheidungsfähig ist und mit ihm oder seinem Produkt asoziiert wird.

Die Gesuchstellerin scheint in Sachen Domainnamen wenig gelernt zu haben. Sie lässt die Bezeichnung „ameropa-ag“ unter weiteren, gängigen Domainnamenendungen unregistriert, ebenso die Variante ohne Bindestrich. Damit riskiert sie weitere Verfahren.

Etwas hat sie aus dem Verfahren aber gelernt: Sie hat am 24. Januar 2013 nämlich eine Schweizer Wortmarke „Ameropa“ hinterlegt, die sich zurzeit im Anmeldungsverfahren befindet.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2013-0001, Entscheid vom 4. März 2013 (sowie WIPO-Verfahren Nr. D2013-0095, Entscheid vom 27. Februar 2013).

Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/ameropa-ag.ch