Folgen des „Brexit“ für Domainnamen

(English version: Brexit consequences for domain names)

Am 23. Juni 2016 hat die Mehrheit der britischen Bevölkerung wider jede Vernunft beschlossen, aus der Europäischen Union (EU) auszutreten – der sogenannte Brexit. Doch kaum jemand der Brexit-Befürworter ist sich der Folgen bewusst, die der Austritt für das Vereinigte Königreich, die EU und die ganze Welt hat. Diese betreffen auch Domainnamen.

Top-Level-Domain der EU (.eu): Widerruf für die Briten

Nach Absatz 12 der Registrierungsbedingungen für .eu-Domainnamen kann das Register einen .eu-Domainnamen nach eigenem Ermessen widerrufen, wenn der Registrant die Allgemeinen Registrierungsvoraussetzungen der .eu-Verordnung nicht oder nicht mehr erfüllt. Zur Registrierung sind nur Unternehmen, Organisationen und Privatpersonen mit Hauptsitz bzw. Wohnsitz in einem Mitgliedstaat der EU zugelassen. Nach dem Austritt erfüllen lediglich im Vereinigten Königreich angesiedelte juristische und natürliche Personen diese Voraussetzung nicht mehr. Ihre .eu-Domainnamen werden damit widerrufen.

Mindestens 14 Tage vor dem Widerruf der Domainnamen benachrichtigt die Registerbetreiberin die Domainnamen-Inhaber und/oder die Registrierungsstellen, durch die die Domainnamen registriert sind, per E-Mail. Sie erhalten damit die Gelegenheit, den Grund für den Widerruf wo möglich zu beheben. Dies wird hier in den wenigsten Fällen möglich sein. Denkbar ist lediglich der Umzug des Firmenhauptsitzes bzw. Wohnsitzes in ein Land, das weiterhin ein Mitglied der Europäischen Union ist. Oder natürlich die Nutzung eines Trustee-Diensts, der von vielen Registrierungsstellen angeboten wird, um die Wohnsitzerfordernis zu umgehen.

Top-Level-Domain des Vereinigten Königreichs (.uk): Einstellung nach dem Zerfall Grossbritanniens

Während sich England (ausgenommen London) und Wales deutlich für den Austritt ausgesprochen haben, haben Schottland, Nordirland und auch die Ãœberseegebiete des Vereinigten Königreichs genauso deutlich für einen Verbleib in der EU gestimmt. Dem Vereinigten Königreich droht der Zerfall. Damit ist auch die Zukunft der Top-Level-Domain .uk („United Kingdom“) infrage gestellt.

Falls das Vereinigte Königreich auseinanderbricht, wird der Betrieb der Top-Level-Domain .uk nach einer gewissen Übergangszeit wohl eingestellt. Eigentlich steht dafür bereits eine Alternative zur Verfügung: .gb. Denn nach der ISO-Kodierung, die für die Vergabe der länderspezifischen Top-Level-Domains (die sogenannten ccTLD) massgebend ist, würde die Domainnamen-Endung des Vereinigten Königreichs bzw. Grossbritanniens eigentlich so lauten. Die ccTLD .gb ist reserviert, wird bisher aber nicht benützt. Ob .gb weiterhin zur Verfügung stehen wird oder ebenfalls eingestellt wird, ist unklar. Denn natürlich ist dies davon abhängig, ob und unter welchen Namen sich die einzelnen Landesteile zusammenschliessen oder alleine bestehen.

Die Britischen Überseegebiete wären von einem Auseinanderfallen des Empire nicht direkt betroffen. Sie verfügen nämlich bereits heute über eigene Top-Level-Domains (Anguilla .ai, Bermudainseln .bm, Britisches Antarktis-Territorium .aq [für komplettes Antarktis-Gebiet], Britisches Territorium im Indischen Ozean .io, Britische Jungferninseln .vg, Gibraltar .gi, Kaimaninseln .ky, Falklandinseln .fk, Guernsey .gg, Isle of Man .im, Jersey, Montserrat .ms, Pitcairn .pn, St. Helena Ascension und Tristan de Cunha .sh, Südgeorgien und Südliche Sandwichinseln .gs, Turks- und Cicosinseln .tc).

Neue Top-Level-Domain für ein unabhängiges Schottland?

Konrete Pläne für eine Abspaltung Schottlands vom Vereinigten Königreichs gibt es schon lange. Zwar haben im September 2014 eine Mehrheit der Schotten für den Verbleib gestimmt. Doch sie haben immer klar gemacht, ein Mitglied der EU bleiben zu wollen. Jetzt soll eine neue Abstimmung vorgenommen werden, um Schottland zu einem eigenständigen Land zu machen, das möglichst rasch Mitglied der EU werden möchte.

Als selbständiges Land wäre Schottland dann auch berechtigt, eine eigene länderspezifische Domainnamen-Endung zu führen. Doch alle der passenden zweistelligen Top-Level-Domains („S“ und übrige Buchstaben von „Scotland“) sind bereits belegt: .sc (Seychellen), .so (Somalia), .st (São Tomé und Príncipe), .sl (Sierra Leone), .sa (Saudi-Arabien), .sn (Senegal) und .sd (Sudan). Auch .ec für Ecosse (lateinisch für Schottland) ist bereits vergeben (Ecuador). Einen Ausweg könnte hier die gälische Eigenbezeichnung von Schottland, Alba, bieten. Doch auch .al (Albanien) ist bereits weg. Hingegen könnte die Internet Assigned Numbers Authority (IANA) eine neue Top Level Domain .ab oder gar .aa schaffen.

Gut, dass die Schotten seit dem Jahr 2014 über eine eigene, generische Domainnamen-Endung verfügen. Ein .scot-Domainname kann von Schotten auf der ganzen Welt registriert werden sowie von allen Nicht-Schotten, die in Schottland wohnen. Er hilft, die schottischen Werte zu unterstreichen, genauso wie dies .swiss für schweizerische Werte tun will. Gut 10’000 .scot-Domainnamen sind derzeit registriert – auch von Privatpersonen.

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