youtubetv.ch: Streaming-Anbieter „ohne betrügerische Absicht oder Bösgläubigkeit“

Die Gesuchstellerin Google Inc. aus Mountain View, Kalifornien, USA, ist ein Unternehmen für Internetdienstleistungen, das am meisten für seine gleichnamige Suchmaschine bekannt ist. Im Jahr 2006 kaufte Google das Internet-Videoportal YouTube und besitzt seit demselben Jahr die Schweizer Wortmarke YouTube.

Der Gesuchsgegner Dr. István Dózsa aus Debrecen, Ungarn, bietet unter den Adressen YouTubeTV.ch und FacebookTV.org einen Streaming-Dienst für Filme und Fernsehserien an. Weder über ihn noch über die in den Impressen erwähnten Firmen Diamond Reef Ltd. und VideoCinema ist mehr bekannt.

Der Domainname youtubetv.ch wurde am 27. März 2013 registriert. Unter dieser Adresse ist der erwähnte Streaming-Dienst des Gesuchsgegners zu finden.

youtubetv.ch

Der Schlichtungsversuch blieb erfolglos. Tobias Zuberbühler wurde als Experte eingesetzt, um das Verfahren weiterzuführen.

Erwägungen und Entscheid

Die Gesuchstellerin bringt vor, dass sich der Domainname nur durch den Zusatz „TV“ von ihrem Angebot und ihrer Marke unterscheidet und dass sich die angebotenen Dienstleistungen zum Teil überschneiden, was neben der Markenverletzung auch eine erhebliche Verwechslungsgefahr schaffe.

Der Gesuchsgegner wendet ein, dass der Domainname rechtmässig und ohne betrügerische Absicht oder Bösgläubigkeit registriert worden sei. Er habe ein legitimes Interesse am Domainnamen, der nicht mit den Diensten, dem Logo oder der Bezeichnung der Gesuchstellerin verwechselt werden könne.

Für den Experten steht fest, dass eine Zeichenidentität bzw. -ähnlichkeit besteht und der Zusatz „TV“ lediglich beschreibend ist und „keine nennenswerte Distanz zwischen dem Domainnamen und der Wortmarke der Gesuchstellerin“ zu schaffen vermag. Daneben liegen auch identische Dienstleistungen vor. Somit besteht eine unmittelbare Verwechslungsgefahr, die vom Gesuchsgegner bewusst geschaffen worden sei, was die Kennzeichenrechte der Gesuchstellerin klar verletzt. Er beschliesst die Ãœbertragung des Domainnamens.

Bemerkungen

Der Gesuchsgegner behauptet zwar, die Besucher nicht täuschen zu wollen und den Domainnamen nicht bösgläubig registriert zu haben. Dem Experten ist jedoch beizupflichten, dass diese Behauptungen rechtlich irrelevant sind. Dem Gesuchsgegner war das YouTube-Portal bekannt und es muss ihm klar gewesen sein, dass es sich hier nicht nur um ein fremdes Kennzeichen handelt, sondern er wollte klar von dessen Ruf profitieren. Es fehlt ihm also klar nicht am Unrechtsbewusstsein als Voraussetzung für gutgläubiges Handeln.

Mich hat überrascht, dass in einem eigentlich so klaren Fall einer Markenverletzung überhaupt eine Gesuchserwiderung eingetroffen ist und dass der Gesuchsgegner tatsächlich davon überzeugt ist, eine Berechtigung am Domainnamen zu haben. Für seinen Streaming-Dienst ist er auf diesen nicht angewiesen (er ist auch unter weiteren Adressen erreichbar) und es ist fraglich, wie viele internationale Besucher sich überhaupt auf die Schweizer Internetadresse verirrt hatten.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2013-0015, Entscheid vom 5. November 2013.

Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/youtubetv.ch

kstools.ch: Mutterhaus unterliegt gegen Vertriebspartner in Liquidation

Die Gesuchstellerin KS Tools Werkzeuge – Maschinen GmbH aus Heusenstamm in Deutschland ist ein international tätiger Anbieter von Werkzeugen und Werkstatteinrichtungen. Das 1992 gegründete und mittlerweile auf über 190 Mitarbeiter am Konzernhauptsitz in Deutschland angewachsene Unternehmen verfügt weltweit über Niederlassungen und Vertriebsgesellschaften. Sie ist Inhaberin mehrerer internationaler Markeneintragungen, die den Bestandteil „KS Tools“ enthalten, auch mit Schutzanspruch für die Schweiz.

Der Gesuchsgegner Rieder Engineering ist ein Einzelunternehmen in Greifensee für die Beratung, Installation und Verkauf im Bereich Computer/Elektronik. Der Inhaber Lucas Rieder und seine Ehefrau führten als Verwaltungsräte bzw. Geschäftsführerin die am 2. Juni 2004 gegründete Schweizer Vertriebsgesellschaft der Gesuchstellerin, KS Tools AG, welche das Werkzeugsortiment der Gesuchstellerin exklusiv in der Schweiz vertrieb. Am 4. Dezember 2012 (der WIPO-Entscheid spricht fälschlicherweise vom Jahr 2011) wurde über die Schweizer Vertriebsgesellschaft der Konkurs verhängt. Der Gesuchsgegner betrieb nach eigenen Angaben die IT-Infrastruktur der Schweizer Vertriebsgesellschaft.

Gemäss den Angaben im WIPO-Entscheid wurde der Domainname kstools.ch am 9. Januar 2013 registriert. Er gehörte jedoch mindestens seit dem 28. Mai 2004 der Schweizer Vertriebsgesellschaft. Scheinbar hatte ihn das Ehepaar Rieder aufgrund der Liquidation der Schweizer Vertriebsgesellschaft auf das Einzelunternehmen übertragen. Zur Zeit des WIPO-Entscheids ist unter dieser Internetadresse keine Webseite aufgeschaltet. Das Bild zeigt die Webseite der Gesuchstellerin.

kstools.com (KS Tools Mutterhaus in Deutschland)

Der Schlichtungsversuch unter der Leitung des Experten Tobias Zuberbühler blieb erfolglos. In der Folge wurde das Verfahren fortgesetzt und Andrea Mondini als Experte eingesetzt.

Erwägungen und Entscheid

Die Gesuchstellerin verweist auf ihre Markeneintragungen und ihr Namensrecht (auch der Schweizer Vertriebsgesellschaft, an der sie ebenfalls beteiligt war) und macht geltend, „der Gesuchsgegner habe den Domainnamen in der Absicht registriert, die Aktivitäten der Gesuchstellerin in der Schweiz zu behindern und damit ‚wie ein Domainnamen-Pirat‘ gehandelt und gegen Art. 2 UWG verstossen. Der Gesuchsgegner sei weder an der Firma der Gesuchstellerin beteiligt, noch habe diese ihm das Recht zur Nutzung des Namens ‚KS Tools‘ eingeräumt. Der Gesuchsgegner habe zudem das Namensrecht der Gesuchstellerin verletzt (Art. 29 Abs. 2 ZGB).“

Der Gesuchsgegner argumentiert, die Gesuchstellerin habe der Schweizer Vertriebsgesellschaft die Verwendung des Namens „KS Tools “ ausdrücklich erlaubt. Er betreibe deren Infrastruktur und den Domainnamen in deren Auftrag.

Der Experte sieht die Verletzung eines Kennzeichenrechts nicht nachgewiesen. Der Gesuchsgegner bzw. Lucas Rieder sei weder ein unbeteiligter Dritter noch ein „Domainnamen-Pirat“, sondern Verwaltungsrat der Schweizer Vertriebsgesellschaft, die den Domainnamen rechtmässig benutzt hatte. Da keine Verletzung eines Kennzeichenrechts vorliegt und damit die Voraussetzungen für eine Ãœbertragung des Domainnamens nicht erfüllt sind, weist der Experte das Gesuch um Ãœbertragung des Domainnamens ab.

Bemerkungen

Die Übertragung des Domainnamens von der Schweizer Vertriebsgesellschaft auf das Einzelunternehmen während der Liquidation ist fragwürdig. Dem Experten ist jedoch zuzustimmen, dass ein WIPO-Verfahren das falsche Mittel zur Klärung dieser Frage ist, sondern dass diese allenfalls im Rahmen des Konkursverfahrens zu prüfen sei. Korrekterweise wäre der Domainname tatsächlich – zumindest nach erfolgter Liquidation – an das deutsche Mutterhaus zu übertragen. Spätestens dann erlischt die Berechtigung von Lucas Rieder in seiner Doppelfunktion als Verwaltungsrat und Einzelunternehmer, den Domainnamen zu besitzen. Die Gesuchstellerin hat das WIPO-Verfahren zu früh angestrebt.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2013-0012, Entscheid vom 30. Oktober 2013.

Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/kstools.ch