ihr-gesundheitscoach.ch: Kein Erfolg für Apothekervereinigung mit schwacher Marke

Die Gesuchstellerin TopPharm AG in Münchenstein ist eine Vereinigung von über 100 unabhängigen Apothekern in der Deutschschweiz mit über 1’400 Mitarbeitern. Auf Ihrer Webseite bietet sie unter dem Stichwort „Ihr Gesundheits-Coach“ ein Zufallsbild eines Apothekers oder einer Apothekerin aus einer TopPharm-Apotheke inklusive Link zu deren Webseite. Sie ist Inhaberin der am 9. Juni 2011 hinterlegten Wortmarke „Gesundheitscoach“.

Die Gesuchsgegnerin Master Training Group GmbH in Zug und ihre Inhaberin und Geschäftsführerin Perina Jitka unterstützen und beraten Unternehmen in Innovations-, Kommunikations- und Change-Prozessen. Zu Ihren Kunden gehörte auch die Gesuchstellerin (Verkaufsschulung).

Der Domainname ihr-gesundheitscoach.ch wurde am 18. September 2011 registriert. Unter dieser Adresse ist eine Microsite der Gesuchsgegnerin aufgeschaltet, auf der sie ihre Gesundheitscoaching-Dienste für Apothekerinnen und Apotheker anbietet.

ihr-gesundheitscoach.ch

Die Gesuchsgegnerin hat in eine telefonische Schlichtungsverhandlung eingewilligt, die unter der Leitung des Experten Daniel Kraus jedoch erfolglos verlief. Auch die von den Parteien gewünschte Sistierung des Verfahrens zur Führung weiterer Vergleichsgespräche führte zu keiner Lösung, so dass das Verfahren unter Bernhard F. Meyer weitergeführt wurde. Beide Parteien sind anwaltlich vertreten.

Erwägungen und Entscheid

Die Gesuchstellerin bringt vor, aufgrund ihrer Marke Anspruch auf den Domainnamen hat, der sich lediglich durch den Possessivpronomen-Zusatz „ihr-“ von der Marke unterscheidet. Es bestehe eine Gleichartigkeit der angebotenen Waren und Dienstleistungen. Die Gesuchsgegnerin habe sich erst durch die Zusammenarbeit für den Begriff „Gesundheitscoach“ zu interessieren begonnen und profitiere nun vom „vertrauenserweckenden“ Begriff bzw. ihrer Marke, womit die Gesuchsgegnerin auch unlauter handle.

Die Gesuchsgegnerin bestreitet die Gleichartigkeit der angebotenen Waren und Dienstleistungen, womit die ohnehin schwache Marke nicht zum Tragen komme und auch kein unlauterer Wettbewerb vorliege. Ausserdem habe ich die Gesuchstellerin seit dem Jahr 2011 vom Domainnamen gewusst, den sie seit der damaligen Ãœberarbeitung ihres Angebots verwendet habe. Durch das Zuwarten mit dem Geltendmachen einer Verletzung habe sie ihren Abwehranspruch verwirkt.

Der Experte lässt offen, ob eine Gleichartigkeit der Waren und Dienstleistungen bestehe. Da sich die Geschäftsfelder beider Parteien hinsichtlich Dienstleistungs- und Produktangebot überschneide, seien sie als Mitbewerberinnen anzusehen und eine Verwechslungsgefahr könne „nicht ausgeschlossen werden“.

Hingegen sei die Kennzeichnungskraft der Marke tatsächlich schwach. Darauf hatte das IGE die Gesuchstellerin bereits bei der Eintragung der Marke hingewiesen. Ausserdem habe sich der Begriff als Beratungsberuf im Gesundheitswesen etabliert. Und gerade in spezialisierten Verkehrskreisen wie in medizinischen Fachbereichen werde sorgfältig auf Details geachtet, so dass selbst bei einem identischen Zeichen die Verwechslungsgefahr vermindert sei. Der Begriff habe sich auch nicht im Verkehr als Kennzeichen der Gesuchstellerin durchgesetzt. Der Schutzbereich sei also eng.

Weiter sei der Domainname zwar nach der Hinterlegung, jedoch noch vor der Eintragung der Marke ins Markenregister (am 19. Dezember 2011) registriert worden. Die Gesuchsgegnerin habe also keine Verletzung oder Herbeiführung einer Verwechslungsgefahr mit der Marke der Gesuchstellerin beabsichtigt.

Schliesslich sei die Gesuchsgegnerin mindestens seit dem Jahr 2008 auf dem Gebiet des Gesundheitscoaching tätig und habe damit einen eigenen Anspruch auf den Begriff. Der Experte weist das Begehren der Gesuchstellerin ab.

Bemerkungen

Während ich mit dem Resultat einverstanden bin, finde ich die Begründung mehr als speziell.

Die Wortmarke „Gesundheitscoach“ ist nicht für Gesundheits- oder Apothekendienstleistungen eingetragen. Da der Begriff in diesen Waren- und Dienstleistungsklassen beschreibend gewesen wäre, wurde er dafür entweder nicht beantragt oder aber vom Institut für Geistiges Eigentum abgelehnt. So sind geschützt: Seifen, Parfüms, Haarwasser, Zahnputzmittel, pharmazeutische Präparate, Babykost, Pflaster, Verbandsmittel, Desinfektionsmittel (alles für therapeutische und medizinische Zwecke), wissenschaftliche Wäge-, Mess-, Kontrollapparate und -instrumente, chirurgische, ärztliche Instrumente, orthopädische Artikel, Werbung, Detailhandelsdienstleistung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Unternehmensberatung, Büroarbeiten, Immobilienwesen sowie Durchführung von Qualitätskontrollen für Apotheken. Auf der TopPharm-Webseite richtet sich die Gesuchstellerin unter dem Titel „Ihr Gesundheits-Coach“ und dem Vorstellen von zufällig gewählten Apotheken-Teams an Endkunden der Apotheken (business to consumer), während sich das Angebot der Gesuchsgegnerin an Apotheker richtet (business to business), die ihre Seminare und Kurse zur Optimierung ihrer Kundenberatung und der Apothekenführung besuchen. Auch eine Verwechslungsgefahr kann damit ausgeschlossen werden. Damit überschneiden sich die Geschäftsfelder der Parteien meiner Meinung nach nicht und der Domainname könnte problemlos neben der (schwachen) Marke bestehen. Die Prüfung wäre hier abgeschlossen gewesen.

Damit wäre auch die fremd anmutende Herleitung mit der Registrierung des Domainnamens nach der Hinterlegung aber vor der Eintragung nicht nötig gewesen. Denn eigentlich gilt für den Markenschutz das Hinterlegungsdatum, nicht das Eintragungsdatum. In anderen Worten: In der Schweiz ist das Kennzeichen bereits ab der Hinterlegung (also kurz nach der Anmeldung der Marke, nachdem die formellen Voraussetzungen geprüft wurden) geschützt, vorliegend der 9. Juni 2011. Der erst Monate später registrierte Domainname müsste damit gegenüber der Marke zurückstehen. Es ist nicht ersichtlich, wieso dies im vorliegenden Verfahren anders sein soll und anstelle des Hinterlegungsdatum das Eintragungsdatum relevant sein soll. Bei diesem Punkt ist dem Experten also ganz klar zu widersprechen. Seine Ansicht würde Domaingrabbern Tür und Tor öffnen, die damit ohne Gefahr und rechtliche Folgen den neu hinterlegten Marken entsprechende Domainnamen registrieren könnten, falls der Hinterleger die Registrierung bisher versäumt hat.

Daneben verwendet TopPharm auf ihrer Webseite den Begriff – wie oben bemerkt – mit Bindestrich. Angesichts der schwachen Marke mit ihrem geringen Schutzbereich fragt es sich, ob hier aufgrund der abweichenden Schreibweise überhaupt ein markenmässiger Gebrauch stattfindet.

Fraglich ist ausserdem, weshalb die Gesuchstellerin nicht auch oder eher gegen die übrigen Inhaber der .ch-Domainnamen vorgeht, welche den Begriff „Gesundheitscoach“ enthalten. Denn auch „meingesundheitscoach.ch“ und „deingesundheitscoach.ch“ gehören nicht der Gesuchstellerin (aber auch nicht der Gesuchsgegnerin). Und wieso hat die Gesuchstellerin selbst nicht „ihrgesundheitscoach.ch“ und „ihr-gesundheits-coach.ch“ registriert, um weiteren möglichen Verletzungen ihrer Marke vorzubeugen?

Und noch eine Randbemerkung: Dies ist das erste im Verfahrensjahr 2013 abgelehnte WIPO-Verfahren.

WIPO-Verfahren Nr. DCH2013-0010, Entscheid vom 26. September 2013.

Kurzlink hierher: www.domainnamenblog.ch/wipo/ihr-gesundheitscoach.ch

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